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Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)

Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)

Titel: Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Bluhm
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der ersten Reihe sind leider schon belegt. Andererseits müsste man dort auf winzigen Kinderstühlchen kauern, weshalb sich die Biergartenbänke weiter hinten als die weitaus bequemeren erweisen. Und die Sicht ist auch nicht übel, da man über alle Köpfe hinwegschauen kann.
    «Pssst, Mama», höre ich Katja plötzlich rufen. Gleich darauf steht sie neben uns. «Hast du Bernd gesehen?»
    Jesses Maria und Josef, das habe ich ja völlig verdrängt. «Nein. Bitte entschuldige, ich hab vergessen, dir Bescheid zu geben.»
    «Na, super», schnauft sie gereizt. «Was machen wir denn, wenn er nicht kommt?»
    «Hallo, Katja.» Robert gesellt sich zu uns. «Erinnerst du dich?»
    Katja streicht sich eine Strähne hinters Ohr und blickt ihn einen Moment lang unsicher an. «Robert! Hab schon gehört, dass deine Tochter auch hier ist.» Wie ihre gequälte Miene verrät, freut sie sich aber kein bisschen, ihn nach langer Zeit wiederzusehen. Offensichtlich kann sie ihre Antipathie nicht verbergen. «Madeleine», wendet sie sich dann an ihre Schwester. «Du musst für Bernd einspringen!» Ihr schroffer Tonfall duldet keinen Widerspruch.
    «Öhm … Wenn ich das kann …», stammelt Madeleine überrumpelt, wagt es aber nicht, zu rebellieren.
    «Sicher», antworte ich für sie. «Was muss sie denn tun?»
    «Ich helfe auch gerne», bietet Robert an.
    «Schon gut», wehrt Katja unfreundlich ab. «Meine Schwester macht das. Es geht um die Geräusche und die Musik zum Stück, die Leiterin sagt dir, wo die kleine Anlage steht und wie sie funktioniert», erklärt sie Madeleine. «Los, komm mit, ich bring dich zu ihr.» Damit dreht sie sich um und rennt im Stechschritt davon.
    Madeleine schnellt gehorsam hoch und beeilt sich, der großen Schwester zu folgen. Erinnert mich an frühe Kindertage, als Katja bei allen Spielen der «Chef» war.
    Zögernd nimmt Robert neben mir Platz. Ich fühle mich genötigt, Katja zu entschuldigen, sie sei gestresst und wolle es mal wieder allen recht machen.
    «Stimmt, sie war schon immer sehr zielstrebig», sagt er nachdenklich.
    Eine blonde Kindergärtnerin im dunkelblauen Kleid tritt vor den roten sternenbeklebten Vorhang, der die Bühne vom Publikum trennt. Sie hat ein zerfleddertes, braunes Buch in einer Hand und ein Glöckchen in der anderen, das sie nun zum Zeichen für den baldigen Beginn läutet.
    Die letzten leeren Plätze werden eingenommen. Nach minutenlangem Gedränge, Geschiebe und Getuschel verstummen die Gespräche.
    Die blonde Frau begrüßt uns freundlich und bittet, auch an vermeintlich lustigen Stellen möglichst nicht sooo laut zu lachen, um die Kinder nicht aus dem Konzept zu bringen. Dann wünscht sie uns viel Vergnügen. Langsam wird es dunkel, die Zwillingsmädchen treten in die Mitte des Vorhangs, ziehen ihn bedächtig auf und geben den Blick frei auf einen improvisierten Stall. Schafe aus bemaltem Pappkarton drängeln sich um eine hölzerne Puppenwiege, die als Krippe dient und mit echtem Heu gefüllt ist. Dazwischen sitzen die kleinsten Kinder als lebende Schäflein in weiße Plüschdecken gehüllt. Ihre Gesichter sind dunkelbraun gefärbt, sie tragen schwarze Papierohren auf Haarreifen und wackeln eifrig mit den Köpfen. Eine simple Klemmleuchte verbreitet diffuses Licht. Gerührt und gleichermaßen stolz betrachte ich Jan und Eric. Gestützt auf ihre Hirtenstäbe stehen sie breitbeinig neben zwei Umzugskartons, aus denen echtes Heu quillt.
    Die Kindergärtnerin schlägt das Buch auf und beginnt zu lesen. «Es war einmal, vor langer, langer Zeit in einer kalten Winternacht, als in einem Stall in Bethlehem zwei arme Hirten neben ihren Tieren saßen und vor Kälte schlotterten.»
    Ein leises Knacken ist zu hören, Windheulen ertönt aus einem Lautsprecher, die Schäflein fangen an zu meckern, die armen Hirten lassen sich auf den «Heuballen» nieder und klappern ordentlich mit den Unterkiefern.
    «Ich … hab … Hunger», stammelt Jan zwischen Zähneklappern und Bibbern.
    «Ich … auch», stottert Eric, der sich bemüht, seinen Bruder in Sachen Bibbern noch zu übertrumpfen.
    «Plötzlich hörten die braven Hirten Schritte», liest die Sprecherin weiter. «Ein junges Paar wanderte müde durch die eiskalte Nacht.»
    Aus dem Dunkel erscheint ein kindliches Pärchen, das langsam auf den Stall zusteuert. Das Mädchen im langen Samtrock mit dickem Kissenbauch, unverkennbar die Maria. Ihre blonde Lockenpracht fällt unter einer Tüllgardine bis auf die Hüften. Den spektakulären

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