Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)
Wer’s glaubt, wird selig, feixe ich im Stillen, denn diese plötzliche Planänderung passt nicht zu ihr. Überhaupt nicht. Daher bin ich gespannt, was sie wirklich will.
«Musst du jetzt nicht mehr ssufften?», fragt Jan.
«Nein, mein Schatz. Aus die Maus, für dieses Jahr. Ab sofort bin ich nur noch für euch da.» Ich drücke beide an mich. Dann verabschiede ich mich von Lissy und überreiche ihr noch eine der Einladungen zu Roberts Fest. Sie ist Single und verbringt den Heiligabend bei ihrer Schwester, wie sie mir erzählt hat. «Falls dir später nach einer lustigen Weihnachts-Party im amerikanischen Stil zumute ist, ich werde versuchen, auch da zu sein.»
«Oh, vielen Dank, das klingt verlockend», freut sie sich.
Ich wünsche auch den anderen Kolleginnen ein schönes Fest und alles Gute fürs neue Jahr.
Jan winkt meinen Kolleginnen auch noch mal zu. «Ssöne Weihnachten!»
«Und happie Neujahr!», fügt Eric an.
«Servus, ihr süßen Schneckerln», winkt Lissy ihnen nach.
«Willst du hier im Haus noch irgendwas einkaufen?», frage ich Katja, als sie mich zum Aufzug begleitet, der in die oberste Etage zum Personalraum fährt. «Mit dem Angestelltenrabatt lohnt es sich.»
«Nein, es ist alles da, also bis auf die Blumen, die Gans und …»
Ah, jetzt springt die Katze aus dem Sack. «Ja?»
«Die Coloradota…»
«Katja, wenn ich noch einmal dieses Wort höre, werde ich so was von stinksauer, wie du mich noch nie erlebt hast», fahre ich sie zornig an.
«Aber … Mama», stammelt sie.
Ich drücke den Aufzugknopf. «Es reicht! Du hast uns alle lange genug damit genervt.» Ich ringe um Fassung, um ihr nicht doch noch eine Mitschuld an Churchills Tod zu geben.
«Tut mir leid», entschuldigt sie sich mit zittriger Stimme und holt tief Luft.
«Der Weihnachtsmann hat den Christbaum abgeholt», unterrichtet mich Eric, und Jan ergänzt: «Zum Ssmücken.»
«Ah! Dann lassen wir uns mal überraschen.» Ich blicke verwundert von den Kindern zu Katja. Ist das jetzt noch ein Weihnachtsbrauch, von dem ich nichts weiß?
Der Aufzug ist da, die Tür öffnet sich mit einem leisen
Pling
, wir steigen ein und fahren schweigend nach oben. Ein sicheres Indiz für die sich anbahnende nächste Hiobsbotschaft.
In der oberen Etage befindet sich auch die Spielwarenabteilung und in Sichtweite der Playmobil-Stand.
«Sie ist weg», zischelt sie und sagt zu den Jungs: «Ihr dürft euch die Sachen anschauen. Aber nicht rumrennen, verstanden?»
«Verssprochen!» Jan nickt mit großen Augen, schnappt nach der Hand seines Bruders und schleift ihn mit sich.
«Drehst du jetzt komplett durch?», flüstere ich genervt, als sich die Kinder außer Hörweite befinden. «Wo sollte sie denn sein? Nicht mal die edelsten Tannen verschwinden spurlos. Hast du auf dem Balkon nachgesehen, vielleicht hat Bernd sie dorthin geschafft, um den Stamm zurechtzusägen.»
Sie blickt um sich, ob uns auch niemand hören kann, streicht sich nervös eine Strähne aus der Stirn und sagt: «Jemand hat sie geklaut!»
«Also bitte, Katja, mir fehlt wirklich der Sinn für deine Scherze», stöhne ich gequält.
«Das ist leider kein Scherz», versichert sie. «Die Tanne wurde gestohlen.»
«Aus der Wohnung?» Meine Stimme kippt über bei dem Gedanken, dass bei Katja eingebrochen wurde, und in meinem Kopf laufen die schlimmsten Horrorbilder ab.
«Nein, nein. Gestern Abend, direkt vom Dachgepäckträger des Wagens», erklärt sie.
Ich mustere sie fassungslos, weil sich das für mich wie eine komplette Räuberpistole anhört. «Als ihr mich zu Hause abgesetzt habt, war sie doch noch auf dem Dach. Dann müsste sie jemand gemopst haben, als ihr an einer Ampel gestanden seid. Wann sonst könnte das passiert sein?»
«Sie wurde direkt vor unserem Haus entwendet», antwortet sie weinerlich. «Die Schnur war durch das Schneetreiben und den eisigen Fahrtwind derart festgefroren, dass Bernd sie nicht mit bloßen Händen lösen konnte. Dummerweise hatte er die Axt und die Baumsäge in der Plantage liegen gelassen und kein anderes geeignetes Werkzeug im Wagen, um den Strick zu zerschneiden. Also ging er mit mir und den Kinder nach oben, um ein Messer zu holen …»
«Aber das kann doch kaum länger als zwei Minuten gedauert haben», unterbreche ich sie immer noch ungläubig.
«Normalerweise nicht. Doch unglücklicherweise läutete das Telefon, als wir die Wohnung betraten. Es war ein Kollege aus der Schule, der seit Stunden versucht hatte, ihn zu erreichen. Es
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