Die Häupter meiner Lieben
mit einem Kind im Bauch zu tun.
Am nächsten Tag saß ich im Wartezimmer einer Frauenärztin. Cora hielt meine Hand, bis ich aufgerufen wurde. Die Gynäkologin bestätigte meine Schwangerschaft, und ich heulte.
»Sie sind erst achtzehn«, sagte sie mitfühlend und sah mich forschend an.
»Ich will jetzt kein Kind, vielleicht wenn ich dreißig bin...«
Sie verstand das gut. Ich erzählte ihr, daß ich bei den Eltern einer Freundin als Gast aufgenommen sei, die eigene Mutter depressiv, der Vater ein Säufer!
Schließlich erbot sie sich, mir nach Kräften beizustehen, sie vereinbarte einen Termin in einer Pro-Familia-Beratungsstelle und schrieb mir die Adresse einer hessischen Abtreibungsklinik auf. Etwas erleichtert kehrte ich mit Cora nach Hause zurück.
Der VW-Bus stand vor der Tür. Jonas stürzte heraus, umarmte mich und war völlig durcheinander. Noch bevor wir den Flur betraten, rief er laut: »Wir werden heiraten!«
Angeblich soll es einer der Höhepunkte im Frauenleben sein, wenn die Liebeserklärung und der Heiratsantrag gemacht werden. Damals befand ich mich in einer solchen Gefühlsverwirrung, daß ich keine Freude empfinden konnte. Jonas hatte durch seine Unfähigkeit zu schneller Reaktion meinen Zorn hervorgerufen; ich hatte natürlich nicht bedacht, daß er nur drei Jahre älter als ich, aber ebenso liebeshungrig und unerfahren war. Mit meiner Mitteilung hatte ich ihn verschreckt.
Jonas war ein Mann, der Zeit brauchte. Als ich ihn erst wenige Tage kannte, ging mir seine Art zu essen bereits gegen den Strich. Er konnte eine volle Stunde an einer Scheibe Brot mummeln, so daß ich ihn in meiner Ungeduld am liebsten gefüttert hätte. Aber war das etwas Schlimmes? Im Gegenteil, das Gründliche und Genaue waren seine Stärke und meine sicher nicht. Auf sein Heiratsangebot reagierte ich nicht, wie Jonas erwartet hatte, mit einer dankbaren Umarmung. Ich war störrisch und sagte kalt: »Ich brauche keine Gefälligkeiten.« Cora verdrückte sich.
Als ich mit Jonas allein war, begann er, sich anzuklagen. Meine Schwangerschaft sei allein seine Schuld. Als Christ werde er alles tun, um die Verantwortung für das werdende Leben zu übernehmen.
»Wie stellst du dir das vor?« fragte ich. »Wir haben beide kein Geld und keinen Beruf.«
»Sobald du das Abitur hast, wird geheiratet. Du kannst mit dem Kind bei meinen Eltern leben, bis ich fertig mit dem Studium bin.«
Ich sah mich im Trachtenkleid Heu machen und Schweinefutter in den Stall schleppen, immer mit einem winselnden Kind auf der Hüfte. »Eher geh' ich nach Amerika«, Flucht vor diesen Aussichten, vielleicht zu Friedrich, war das Ei des Kolumbus.
Aber Jonas sah ein, daß er mich nicht einfach bei seinen Eltern abgeben konnte. Er entwarf das Bild einer kleinen, billigen, aber gemütlichen Wohnung und einem liebenden Paar, das mit seinem Kind auf bescheidene Weise zufrieden ist. »Eine glückliche kleine Familie«, sagte er.
Bei dem Wort »Familie« vergaß ich meinen Zorn und Trotz. War das nicht die Lösung aller Probleme? Eine neue Familie gründen, die anders war als die ererbte, krankmachende und die fremde, die mir nicht zustand; eine Familie mit einem eigenen Kind, einem Ehemann und einer Wohnung, in der alles mir gehörte, wo ich bestimmen würde, wo die Lampe hing und wann gegessen wurde. Plötzlich schien mir diese eigene Familie ein Paradies zu sein, das ich mir gewünscht hatte, seit mein Vater mich verlassen hatte.
Als Jonas fahren mußte - er hatte am nächsten Tag eine Zwischenprüfung -, war ich gewillt, ein Kind zu kriegen, eine Hausfrau und gute Partnerin zu werden. Cora kam gleich herbei, als sie den Wagen röhrend davonfahren hörte.
»Laß bloß die Finger davon«, warnte sie.
Hätte ich auf sie gehört, wäre mein Leben anders verlaufen. Aber wer hat je in Liebesdingen etwas auf wohlgemeinte Ratschläge gegeben ?
Ich ging nicht zu Pro Familia. Ich ließ meinen Therapeuten wissen, daß ich im Moment keine Zeit für die Sitzungen hätte, weil die Vorbereitungen fürs Abitur wichtiger seien. Auch Cora kündigte ihre Gesprächstherapie, der Reiz des Neuen war für sie längst verflogen.
Tatsächlich habe ich in dieser Zeit fleißig gelernt, einige vorzügliche Referate gehalten und damit die Theorie ad absurdum geführt, nach der schwangere Frauen derart mit ihrem Bauch beschäftigt sind, daß für den Kopf nichts übrigbleibt.
Mein Plan war, die Umwelt erst zu informieren, wenn der Termin eines möglichen
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