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Die Häupter meiner Lieben

Die Häupter meiner Lieben

Titel: Die Häupter meiner Lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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mißmutig putzte, Babywäsche aufhängte und zwischendurch verzweifelt auf die Uhr schaute, ob Jonas nicht endlich kam.
    Wenn er schließlich eintraf, im feinen Anzug mit Schlips und gebügeltem Hemd, denn es wurde erwartet, daß er teure und konservative Sachen trug, dann fiel ich ihm fast weinend um den Hals. Ich wollte getröstet und geherzt werden, wollte lachen und erzählen. Jonas schob mich nach kurzer Umarmung beiseite, zog die guten Kleider aus und hängte sie sorgfältig auf, sah nach seinem schlafenden Barthel und wollte essen. Verständlicherweise war er müde; er hatte den ganzen Tag mit fremden Menschen reden müssen, was ihm von Natur aus widerwärtig war. Zu Hause wollte er Ruhe, Zeitung und ein Bier. Hätten wir die Rollen tauschen können, wäre alles einfacher gewesen. Mir war es nie schwer gefallen, mit anderen Leuten Kontakt aufzunehmen, und Jonas wäre glücklich geworden, wenn er in seiner ruhigen, geschickten Art den kleinen Sohn betreut hätte. Wir waren beide unzufrieden und wollten es nicht wahrhaben.
    Cora wohnte in Florenz. Sie war eine fleißige Briefschreiberin. Dicke Umschläge mit großbeschriebenen Blättern erhielt ich wöchentlich von ihr, Lichtblicke in der dörflichen Einsamkeit. Ich schrieb auch, aber was sollte ich schon erzählen?
    Eines Tages kündigte sich meine Mutter an. Seit dem Tode meines Bruders hatte ich sie nicht mehr gesehen. Ich geriet ziemlich durcheinander. Angst mischte sich in die freudige Erwartung und ließ mich wenig schlafen.
     
    In ihrem soldatenhaften Mantel sah sie so schlecht aus, daß ich sie kaum erkannte. Mit Béla auf dem Arm stand ich ihr gegenüber und brachte kein Wort heraus. Wie mir schien, betrachtete sie ihr Enkelkind mit Wohlgefallen, und ich reichte es ihr. Vielleicht war Béla die einzige Möglichkeit, eine neue Beziehung aufzubauen.
    »Ein wunderschöner Junge«, sagte sie, »du mußt dankbar sein, daß es ein Sohn ist. Er sieht aus wie Carlo.«
    Mich trafen diese Worte wie ein Blitz, und wahrscheinlich sollten sie mich treffen. Béla sah Carlo nicht im geringsten ähnlich. Die früheren Bosheiten meiner Mutter hatte ich verdrängt. Seit Carlos Tod fühlte ich mich schuldig an ihrem Unglück und ihrer schweren Depression. Aber wie sollte ich andeuten, daß ich unter ihrer totalen Verweigerung auch zu leiden hatte?
    Ich zeigte ihr unsere Wohnung, ich erzählte ihr von der Hochzeit (ohne meinen Vater zu erwähnen), von der Entbindung, sogar vom Abitur. Hörte sie mir zu?
    Als Jonas kam, war ich unendlich erleichtert. Ich hoffte, daß die Anwesenheit eines Dritten uns helfen würde. Möglich war nur, daß sie ihn als meinen Schwängerer von vornherein ablehnte. Aber so war es nicht, die beiden führten ein annähernd normales Gespräch, während ich das Abendessen vorbereitete und Béla wickelte. Mutter legte sich früh aufs Sofa und wollte schlafen. Sie bekam sedierende Medikamente.
    Am nächsten Tag blieb sie mit Béla allein, während ich schnell einkaufen ging. Irgendein Gefühl ließ mich plötzlich nicht vom Bäcker zur Drogerie gehen, sondern nach Hause rennen. Ich traf Mutter mit Kinderwagen und Säugling, Koffer und Mantel an der Ecke unserer Straße. Sie sah wahnsinnig aus.
    »Du hast mir Carlo genommen. Dafür kriege ich deinen Sohn.« Als ich mit Gewalt ihre knochigen Hände vom Griff löste, leistete sie keinen Widerstand. Sie folgte mir zurück nach Hause.
    »Mutter«, sagte ich, und Schweiß stand mir auf der Stirn, »du bist krank und darfst nicht bei uns bleiben. Ich kann die Verantwortung nicht übernehmen. Bitte fahr sofort zurück.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich gehe nicht zurück, ich kann nicht mehr. Schon lange plane ich meinen Tod.«
    »Du wirst doch behandelt«, sagte ich und hielt die ganze Zeit das Baby an mich gepreßt, »man wird dir helfen. Depressionen kann man heilen.«
    »Mich kann niemand mehr heilen. Mein Leben hat keinen Sinn, ob ich nun gesund bin oder krank. Der Gedanke an den Tod ist mein einziger Trost.«
    Vielleicht war es ein Fehler, daß ich zornig sagte: »Dann bring dich um! Selbstmord ist kein Verbrechen.«
    »Sag mir ehrlich, Maja, ob du es richtig findest.«
    »Mein Gott, Mutter, bevor du dich an meinem Kind vergreifst, solltest du überlegen, woher dein Haß kommt.«
    Sie schwieg und überlegte. Dann sagte sie: »Mein Haß ist so groß, weil meine Liebe enttäuscht wurde. Ich kann dich nur warnen: wer liebt, zieht immer den kürzeren.«
    Als Jonas kam, fuhr er sie zur Bahn, denn ich hatte

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