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Die Häupter meiner Lieben

Die Häupter meiner Lieben

Titel: Die Häupter meiner Lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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möglich. Ich hatte in der Eile keine Zugverbindung herausgesucht und mußte mich meinem Ziel in mehreren Etappen nähern. Was würde Coras reicher alter Freund sagen, wenn ich wie eine Zigeunerin mit einem Baby auftauchte? Na, Cora würde die Situation schon meistern.
    In meinem Abteil saß ein Ballettänzer, der zur Kur wollte und sich für Béla interessierte. Als er auf der Toilette war, stahl ich Geld aus seiner Brieftasche, damit ich notfalls die erste Nacht im Hotel verbringen konnte. Es erwies sich als kluge Voraussicht, denn als ich gegen Mitternacht in Florenz ankam, öffnete mir im besagten Haus keine Menschenseele die Tür.
    In einem billigen Hotel lag ich mit Béla Barthel im Doppelbett. Wir waren beide erschöpft von der Reise. Er schlief sofort ein, während ich auf die fremden Geräusche ringsherum lauschte und mir tausend Gedanken durch den Kopf gehen ließ. Jonas würde sich Sorgen machen, er würde mich aber auch als Deserteurin betrachten. Ich hatte ihm seinen Barthel genommen und dafür meinen trunksüchtigen Vater hinterlassen. Zwar hatte ich schriftlich versprochen, bald zurückzukommen, aber Jonas besaß Coras Adresse nicht und konnte sich seinerseits nicht melden.
    In dieser Nacht, in der ich mehr weinte als schlief und die Leuchtreklame am gegenüberliegenden Haus auswendig lernte, gab mir einzig der schlummernde Béla Trost. Das Gefühl der Heimatlosigkeit und Fremde wurde durch seine Gegenwart gemildert. Der Professor hatte meinen Sohn spaßeshalber »Friedensfürst« genannt, weil sich Bélas entspannter Schlaf auf den Betrachter beruhigend auswirkte. Immer wieder hatte ich beobachtet, daß Männer und Frauen, die alles andere als Babynarren waren, von meinem Kind magisch angezogen wurden und in einen Glückszustand verfielen. Es gibt Naturfreunde, die beim Beobachten von jungen Katzen, fütternden Amseln und äsenden Rehen ähnliche Gefühle der Zufriedenheit und Entrücktheit empfinden. Ich war glücklich, daß ich dieses ungewollte Kind hatte, wenn es mir auch, oberflächlich betrachtet, meine vagen Zukunftspläne durcheinanderbrachte.
    Morgen konnte ich ihn Cora zeigen. Sie hatte Béla nur einmal in gelbem Zustand gesehen. Flucht war zwar das Hauptmotiv für meine Reise, aber natürlich war es mir wichtig, meine Freundin zu sehen.
    Coras Freund war zwei Jahre älter als ihr Vater, ich stellte ihn mir als italienische Professorenvariante vor: die wenigen Haare pechschwarz, vielleicht ein Schnauzbart, ein Bäuchlein, klug und gütig, charmant und geistreich. Wenn man derart festgelegte Vorstellungen hat, wird man mit Sicherheit enttäuscht. Coras Freund war kein Italiener, sondern Deutsch-Brasilianer. Seine blonden Haare ließ er auf der einen Seite lang wachsen, um sie kunstvoll über die schüttere Mittelpartie zu legen. Kein Bärtchen, blaue Augen und eine doppelte Portion Vitalität und Dynamik. Aber er war es nicht, der mir am nächsten Tag die Tür öffnete, sondern eine italienische Hausangestellte.
    Ich fragte nach Cora, die Frau verschwand, ohne mich einzulassen. Obgleich es fast Mittag war, kam Cora im Nachthemd gesprungen, und wir fielen uns in die Arme.
    Zum Glück war ihr Freund nach Ugolino zum Golfspielen gefahren, und wir konnten in Ruhe reden. Die Frau brachte Espresso und wurde freundlicher, als Béla ihr zulachte. Cora hielt ihn auf dem Arm und war so begeistert, wie ich es mir gewünscht hatte.
    Bevor der Freund kam, wollte ich Informationen haben. Wir saßen auf der sonnigen Veranda, tranken inzwischen Campari mit Orangensaft und legten die Beine auf den Mühlsteintisch. Eidechsen huschten umher.
    Der Freund hieß Henning Kornmeier und war über fünfzig. Als junger Mann war er von seiner Hamburger Firma nach Rio geschickt worden. Nach einigen Jahren hatte er eine eigene Baufirma gegründet. Inzwischen war er reich genug, um nicht mehr arbeiten zu müssen und das Leben zu genießen.
    »Ist er verheiratet, hat er Kinder?«
    »Er war mit einer Brasilianerin verheiratet, zehn Jahre älter als er. Kinder hatten sie nicht. Sie ist bald nach der Scheidung gestorben.«
    »Und dann?«
    »Mein Gott, Henning hat bestimmt nichts anbrennen lassen, aber das stört mich nicht. Er wird dir gefallen.«
    »Wie habt ihr euch kennengelernt?«
    »Du wirst lachen, ich war in Geldnöten.«
    »Cora, du kriegst genug von deinen Eltern, du brauchst wirklich nicht auf den Strich zu gehen.«
    »Hör mal, ich kriege genug zum Leben, aber für ein Auto reicht es nicht. Meinst du allen Ernstes,

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