Die Häupter meiner Lieben
die wir nie gewesen waren.
Es folgten ein paar ruhige Wochen, in denen ich räumte, kochte und die Treppe putzte. Spaß machte mir das nicht. Ich wollte gern Fahrstunden nehmen, aber Jonas kam immer so spät nach Hause, daß keine Zeit blieb; schließlich sollte er auf Béla aufpassen.
Eines Tages rief Jonas' Mutter an, bei ihrer Wortkargheit eine Sensation. Dem Vater ginge es schlecht. Der Arzt habe gesagt, er solle sich schonen und die schwere Arbeit auf dem Hof an seine Söhne weitergeben. Jonas fühlte sich in die Pflicht genommen, und ich spürte, daß er grübelte.
Nach einer Woche kam das Ergebnis. »Maja, was hältst du von der Idee, daß wir zu meinen Eltern ziehen? Wir hätten zwei Zimmer zur Verfügung und müßten keine Miete zahlen. Für dich ergeben sich viele Vorteile, denn bei uns zu Hause sind immer Frauen, die sich um Barthel kümmern: Mutter, Großmutter, die Schwestern. Du könntest Fahrstunden nehmen und vielleicht eine Ausbildung beginnen. Ich möchte endlich meinem Vater helfen, denn glücklich bin ich nicht als Pharma-Referent.«
Das war die längste Rede, die Jonas je gehalten hatte. Ich wollte ihm das klebrige Nudelsieb an den Kopf werfen, aber ich beherrschte mich. Einige Aspekte an diesem Plan waren für uns beide eine bedenkenswerte Alternative. Aber die Vorstellung, auf dem Hof zu leben, ständig mit der ganzen Familie Döring zu essen, das Bad mit anderen zu teilen und schließlich aus Anstand im Stall und auf dem Feld mitanzupacken, ließ mich schaudern. Schließlich stellte ich mir Béla in Lederhosen vor. Ich weinte ein wenig, um Jonas auf feminine Art mein Mißfallen kundzutun. Dann schwiegen wir einige Tage über das Bauernleben.
Coras Eltern riefen mich beunruhigt an. Ihre Tochter habe in ihrer letzten Postkarte etwas von Heiraten geschrieben, ob ich Näheres wisse. Ich besuchte Schwabs und sagte ihnen vorsichtig, Henning sei nicht mehr jung. Sie sahen mich befremdet an. Genau wisse ich sein Alter auch nicht.
»Wenn wir nur die neue Adresse hätten, nicht wahr«, sagte der Professor, »wir würden morgen hinfahren.«
Coras Eltern erwarteten selbstverständlich, daß ich ihnen weiterhalf. Ungern rückte ich Adresse und Telefonnummer heraus. Der Professor schritt sofort zur Tat und rief in Florenz an, zum Glück ohne Erfolg. Emilia pflegte fast nie ans Telefon zu gehen, Cora und Henning waren nicht zu Hause.
Frau Schwab meinte: »In meiner Jugend regten sich die Eltern auf, wenn ein unverheiratetes Paar zusammenlebte; gegen das Zusammenleben hat man heute nichts, wohl aber gegen eine unüberlegte oder allzu frühe Heirat.«
Da ich auch allzu früh und unüberlegt geheiratet hatte, schwieg ich beschämt.
»Nun ja, wenn so etwas Hübsches wie Béla dabei herauskommt«, sagte der Professor versöhnlich, »dann lass' ich mir alles gefallen.« Er küßte den Kleinen.
Zu Hause rief ich alle zehn Minuten in Florenz an, um Cora noch vor ihren Eltern zu erreichen. Als ich endlich mit ihr sprach, war sie ungehalten. »Das fehlt mir gerade noch, daß die Alten plötzlich vor der Tür stehen!«
»Aber Cora, du hast ihnen doch selbst von der Hochzeit geschrieben; sie haben es nicht verdient, daß du keine Auskunft gibst.«
»Hast ja recht, aber ich weiß sowieso, daß sie motzen werden.« Ich wußte es auch. »Wir wollen in vier Wochen heiraten, natürlich bist du mit Jonas und Béla eingeladen, aber sonst möchte ich eigentlich keine Gäste. Aber wenn meine Eltern den Termin wissen, sind sie nicht zu bremsen.«
Am nächsten Tag ging wieder alles schief. Béla bekam Fieber und verweigerte seine Mahlzeit. Ich plagte mich mit Wadenwickeln ab, und zum ersten Mal kam mir in den Sinn, daß meine Mutter ähnliches bei mir getan hatte. Coras Eltern wußten inzwischen, wie alt der Bräutigam war. Sie waren außer sich. Zu allem Unglück kam Jonas vorzeitig nach Hause und sah ebenfalls aus wie ein alter Mann. Er hatte erfahren, daß sein Vater mit einem Schlaganfall im Krankenhaus lag. Man erwartete, daß er unverzüglich heimkam und half. »Wir müssen packen«, sagte Jonas.
»Béla ist krank, mit einem fiebernden Kind kann man nicht verreisen.«
Er rannte ins Schlafzimmer und nahm seinen heißen Sohn auf den Arm. »Barthelchen, bald wirst du mit jungen Kätzchen spielen, bald darfst du mit der Oma Kuchen backen und den ganzen Tag gute Luft atmen.«
»Kannst du denn Urlaub nehmen?« fragte ich.
»Wenn man mich rausschmeißt, ist mir das egal, die Familie geht vor«, sagte
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