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Die Häupter meiner Lieben

Die Häupter meiner Lieben

Titel: Die Häupter meiner Lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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wichtig. Sieh mal, als Ehefrau könnte ich diese Villa nach meinem Geschmack herrichten, mir ein Atelier einbauen lassen und nach Lust und Laune malen. Ich würde mich nicht mit der Sprachprüfung und dem Studium quälen, sondern privaten Malunterricht nehmen. In diesem Haus könnte man wunderbar feiern und interessante Leute einladen.«
    »Und Henning?«
    »Und Jonas?«
    Wir sahen ein, daß wir beide nicht gerade ideale Gattinnen waren. »Also nimm ihn, Cora! Und ein Kind würde ich mir auch zulegen, sonst bist du unfair.«
    »Mein Gott, ist es von Henning fair, mit einer Neunzehnjährigen eine Familie zu gründen?« Cora fand, sie habe ein Recht darauf, die Pille heimlich weiterzunehmen.
    Als wir zu unseren Männern ins Bett huschen wollten, trafen wir Emilia auf der dunklen Diele.
    »Manchmal habe ich das Gefühl, daß sie lauscht«, sagte Cora, »aber andererseits spricht sie nur italienisch.«
    »Das stimmt zwar, aber sie ist intelligent. Ich habe den Eindruck, sie weiß über uns alle Bescheid.«
     
    Am anderen Tag gab es einen großen Abschied. Béla, der die ganze Zeit in Italien kaum geweint hatte, schrie kräftig und voller Empörung. Henning herzte das Kind, Cora mich, und für Jonas blieb Emilia übrig, der er unter Dankesbezeugungen die Hand schüttelte. Dann fuhren wir los in den grauen Norden und ließen das Paar mit seinen Zukunftsplänen allein.
    Auf halber Strecke, als wir beide mindestens zwei Stunden lang kein Wort geredet hatten, sagte ich laut: »Ich muß unbedingt den Führerschein machen.«
    »Ja«, sagte Jonas.
    Mit dem schlafenden Kind auf dem Arm ging ich die Treppe zu unserer Wohnung hoch, während sich Jonas mühte, Kinderwagen und Koffer aus dem Wagen zu laden. Ich schloß auf und roch es sofort: Vater war nicht weg, beziehungsweise, er war wieder da. Er lag schlafend auf dem Sofa, leere Flaschen neben sich. Das Fenster stand keinen Spalt breit auf, die Luft war zum Schneiden. Ich ging mit Béla wieder hinunter.
    »Du kannst uns gleich zum Bahnhof fahren«, fuhr ich Jonas an, »Vater ist oben.«
    Jonas ließ vor Schreck eine Milchflasche auf den Boden fallen. »Ich schwöre dir, er sollte erst in einer Woche aus dem Krankenhaus entlassen werden. Ich habe schon alles geregelt, daß er von dort in ein Heim verlegt wird.«
    Wahrscheinlich war das Heim eine Trinkerentwöhnungsanstalt, und Vater war angesichts dieser Aussichten entwichen. Jonas nahm mir Béla ab und ging nach oben, um sich die Bescherung selbst anzusehen.
    »Als du weg warst, mußte ich ihm einen Hausschlüssel geben«, entschuldigte sich Jonas, »er hätte sonst die Wohnung nicht verlassen können. Aber ich hätte ihm den Schlüssel natürlich wegnehmen müssen, als er ins Krankenhaus kam.«
    Wir waren beide müde, und es war spät, also gingen wir ins Bett, nachdem ich Béla gewickelt hatte. Das fängt ja gut an, dachte ich zornig, hier will ich nicht bleiben.
    Am nächsten Morgen gab es kein gutes Erwachen. Jonas ging arbeiten, ich mußte mich selbst um Béla kümmern, und auf dem Sofa lag Vater und war nicht zu wecken. Schließlich goß ich ihm kaltes Wasser ins Gesicht. Er sprang auf und war so wütend, daß er mir eine Ohrfeige gab. Das konnte er aber mit mir nicht machen, ich trat ihn gegen das Schienbein, daß er zurück auf das Sofa fiel und ächzte.
    »Vater, so kann es nicht weitergehen. Wenn du dich hier breitmachst, gehe ich nach Italien.«
    »Geh doch, ohne dich und das plärrende Kind war es viel gemütlicher. Wie komme ich überhaupt zu so einer Xanthippe von Tochter!«
    »Vater, willst du allen Ernstes meine Ehe kaputtmachen, willst du, daß ich mich deinetwegen von meinem Mann trenne?«
    »Eine gute Ehe hält eine Belastung aus, sonst taugt sie sowieso nichts.«
    Ich sprach nicht mehr mit ihm. Am liebsten hätte ich ihn auf den Müll geworfen. Ich hoffte, im Krankenhaus hätte man eine unheilbare Krankheit entdeckt. Aber Jonas rief in der Klinik an und erfuhr, daß Vater geflohen war, bevor man die erforderliche Diagnostik abgeschlossen hatte. Man war verärgert über sein Benehmen und wollte ihn nicht zurückhaben. Außerdem hatte er die Krankenschwestern mit unsittlichen Anträgen belästigt. Irgendwann platzte auch dem lammfrommen Jonas die Geduld. Er packte Vater am Kragen, schleppte ihn ins Auto und fuhr in das besagte »Heim«, wortlos. Als er zurückkam, war er stolz. »Nun wird alles wieder gut«, sagte er zu mir und glaubte im Ernst, daß wir wieder die »glückliche kleine Familie« sein würden,

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