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Die Häupter meiner Lieben

Die Häupter meiner Lieben

Titel: Die Häupter meiner Lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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er.
    Meinte Jonas seine Bauernfamilie oder mich und Béla? Er schien immer noch nicht begriffen zu haben, daß mir ein Leben auf dem Lande, und wenn dort noch so gute Luft war, von Grund auf zuwider war. Wovon sollten wir überhaupt leben, wenn er keine bezahlte Stellung hatte und statt dessen im Stall und auf dem Acker schuftete? Der Geruch von Schweinemist, die Küche voller Fliegen, der rauhe Dialekt, die ungeheizten Schlafzimmer und das gemeinsame Essen auf splitternden Holzbänken bereiteten mir körperliches Unbehagen. Sollte Béla dort aufwachsen? Für Jonas mochte seine Heimat ein Paradies sein, für mich war sie die Hölle. Mein Paradies war Florenz, und ich beschloß, mich wieder dorthin zu begeben. Cora hatte recht, einen reichen Mann zu heiraten. Und sein Alter war ein Vorteil, sie würde ihn dreimal überleben.

Grüne Witwe
     
     
    An Ostern gibt es in Florenz eine Prozession, an der ich nicht teilnehme, und ein Feuerwerk, das ich gern sehe. Beim Grillenfest am Himmelfahrtstag ziehen wir wie alle Florentiner in den Park und picknicken, das heißt, wir kaufen uns an den Ständen Brot und Spanferkel. Viele Kinder tragen kleine Grillenkäfige bei sich; Béla mag das nicht, er will lieber einen Luftballon.
    Ich kann mich nicht erinnern, mit meinen Eltern je ein Volksfest besucht zu haben. Als ich schließlich groß genug war, um mit meinem Bruder Carlo hinzugehen, hat er mir die Freuden der Kirmes systematisch vermiest. Er ließ sich mein Geld geben, um uns beiden Eintrittskarten für den Autoscooter zu kaufen, und war damit verschwunden. Eigentlich möchte ich nicht, daß Béla Geschwister bekommt, am Ende müßte er unter ihnen nur leiden. Aber ich bin froh, daß er in Italien aufwächst, es ist nach wie vor das Land meiner Träume.
     
    Als ich nach meinem ersten Aufenthalt in Florenz wieder in Deutschland war, hatte ich keine Lust mehr auf mein kühles Vaterland. Das Kind war krank, Jonas mußte zu seiner Mutter fahren. Wenn es Béla besser ging, wollte er uns abholen. Kaum war er weg, rief ich Cora an. Sie war aufgeregt, ihre Eltern waren im Anmarsch. Ich kündigte ebenfalls mein baldiges Erscheinen an.
    »Gott sei Dank«, sagte Cora, »du übst einen positiven Einfluß auf meine Eltern aus. Außerdem fragt Henning dauernd nach Béla; mit dem Kind auf dem Arm wirkt er wie der heilige Joseph und nicht wie ein Playboy.«
    Platz gab es genug in diesem großen Haus, auch für Coras Eltern war ein Zimmer da.
    »Habt ihr schon mit Renovieren angefangen?«
    »Na, was denkst du! Das Bad wird ein Traum, ich habe Jugendstilfliesen aufgetrieben! Außerdem haben wir Möbel gekauft, in deinem Zimmer stehen jetzt Korbsessel, die Kissen haben Rosenmuster - einverstanden?«
    Ich freute mich. Hennings Geld wurde gut angelegt.
    Der Kinderarzt beruhigte mich, Béla hatte nur eine Erkältung. Das Fieber sank so schnell, wie es gestiegen war. In drei Tagen war aus dem heißen, apathischen Bündel wieder ein hungriger und hübscher kleiner Mensch geworden. Béla begann zu sprechen, was mir niemand glaubte. Er mühte sich, mit seinen sechs Monaten »dada« zu sagen, aber nur ich hatte Ohren dafür.
    Jonas klagte am Telefon. Es gab unendlich viel Arbeit. Außer ihm halfen anscheinend nur zwei Schwestern. Der jüngste Bruder war fünfzehn und im Internat, der älteste - jener Bartholomäus, der Ordensmann geworden war -schien es für unzumutbar zu halten, in der Kutte auf einen Traktor zu klettern. Ich behauptete, Béla sei noch zu krank für eine Reise, was Jonas beunruhigte.
     
    Wie beim ersten Mal schrieb ich meinem Ehemann eine Karte und fuhr mit unserem Kind gen Süden. Diesmal wurde ich von Henning abgeholt, Cora war bei ihren Eltern daheim geblieben. Sie empfingen uns an der Tür, alle freuten sich; Emilia weinte fast, als Béla die Arme nach ihr ausstreckte. Mein Zimmer war liebevoll eingerichtet. Henning hatte tatsächlich ein Kinderbett gekauft, wahrscheinlich meinte er, es demnächst für ein eigenes Baby brauchen zu können.
    Sehr schnell fiel mir auf, daß Henning alles tat, um seinen zukünftigen Schwiegereltern zu gefallen, und daß es überhaupt nichts nützte. Allerdings war das Ehepaar Schwab nicht gänzlich unbestechlich: das Haus hatte es ihnen angetan. Coras Mutter machte es Freude, mit ihrer Tochter die neue Farbe der Fensterläden zu besprechen. Sie war für blaugrün, Cora für weiß, ich für oliv. Der Professor, der eigentlich Gartenarbeit nicht liebte, schob Béla von einem schattigen Baum zum

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