Die Häupter meiner Lieben
ihren Armen ein. Als wir schließlich die gebrauchte Windel in die Plastikfolie eingeschlagen hatten und aufbrechen wollten, fehlte der Hund. Wir pfiffen, Emilia brüllte: »Piiii-pooo«, aber er kam nicht.
»Das ist die größte Scheiße, entschuldige Emilia«, sagte Cora, »wir müssen weg. Wenn er nicht mit will, muß er hierbleiben.«
Emilia flehte: »Bitte Cora, dann muß ich auch hierbleiben. Was soll aus einem kleinen Hündchen werden, hier in der Wildnis!«
»Ja, du hast ganz recht, bald gibt es ein großes Feuer, und dann müssen wir diesen verdammten Schotterweg hinter uns haben.« Wir stiegen ein, Emilia brüllte weiter »Pippo!« Als Cora den Motor anließ, erschien der Hund mit Dons Schuh im Maul und wurde zum erstenmal in seinem jungen Leben von seiner Herrin verdroschen.
Der Weg talabwärts war noch gefährlicher als bergan. Durch den einsetzenden Regen wurde es glitschig. Cora fuhr ruhig und vernünftig wie selten. Emilia saß neben ihr, ich lag hinten bei meinem Sohn und schloß die Augen. Wie gut es war, zwei verläßliche Freundinnen zu haben.
Als es hell wurde, hatten wir den steinigen Pfad und ein gutes Stück Landstraße hinter uns. Der Rest der Strecke machte keine Probleme mehr, wir wurden nicht angehalten, und der Jeep fiel nicht auseinander. Als wir endlich in Florenz waren, mußte noch der Leihwagen zurückgefahren werden. Wir drückten Emilia Kind, Hund und Decken in den Arm, ich sprang in den Cadillac und sauste hinter Cora zu jener Tiefgarage, wo sie am Abend zuvor den Jeep geholt hatte. Sie stellte ihn mit großer Erleichterung an seinen Platz.
»Cora, wir hätten den Wagen waschen müssen!«
»Quatsch, erstens war er schon verdreckt, und zweitens ist das Muttersöhnchen so blöd, daß es ihm nicht auffällt.«
Blaues Wunder
Wenn man immer wieder die gleiche Strecke mit dem Bus zurücklegt, entdeckt man Dinge, die dem Neuling nicht auffallen. Ich sehe, daß der rosa Phlox über Nacht aufgeblüht ist, ich sehe, wie ein alter Mann mit einer Sense die Spinnwebe vom weißgekalkten Haus kratzt, ich sehe, daß meine französische Kollegin heute ein reines Damenkränzchen zum >David< von Michelangelo getrieben hat. Das Trinkgeld wird sie nicht glücklich machen.
Unbemerkt vom Touristenpack warten Cesare und ich täglich darauf, daß es dem fremden Mädchen besser geht. Seit Wochen sitzt dieses kranke Kind am Fenster und schaut mit traurigen Augen auf die Straße. Wir lächeln oder winken jedesmal, Cesare schneidet sogar komische Gesichter. Die Kleine reagiert nicht sonderlich, scheint aber trotzdem auf den Bus zu lauern. Als wir sie eines Tages probeweise ignorierten, drehte ich mich aus der Ferne schnell um und sah, daß sie weinte.
Ich habe als kleines Mädchen fast nie geweint, weil das Unglück permanent und allgegenwärtig war. Irgendwo bin ich immer noch dieses arme Kind, aber inzwischen weiß ich mir zu helfen. Übrigens hielt Cesare am nächsten Tag trotz Halteverbot und Proteste der übrigen Verkehrsteilnehmer den Bus an und legte ein Päckchen für die Kleine aufs Fensterbrett; wir hatten vom Spendengeld ein paar Spielsachen gekauft, und Cora hatte eines ihrer Kaleidoskope gestiftet.
Cornelia ist ein großzügiger Mensch, das muß ich ausdrücklich betonen, aber gelegentlich betont sie ihre Generosität auch selbst, und das macht leider den Effekt zunichte.
Immer wieder setzt sie mich in Erstaunen. Als wir Don endlich losgeworden waren und ausgiebig geschlafen hatten, sagte sie in ihrer kühlen Art: »Man macht doch immer einen Fehler.«
Ich erschrak. »Das wäre?«
»Das war doch eine einmalige Chance, einen Toten zu porträtieren, in der ganzen Aufregung habe ich es glatt vergessen. Am liebsten würde ich noch einmal hinfahren und es nachholen.«
Ich hörte sie mit Entsetzen so reden.
»Einen Haufen Asche kannst du auch aus Emilias Herd kratzen und ein schwarzes Bild davon malen.«
»Es muß nicht zwangsläufig gebrannt haben; es war windig. Kerzen und Kippen können verlöschen...«
»Na, dann geh, hol dir den Jeep und fahr los, aber ohne mich! Wenn du ein Totenmodell brauchst, dann hol es dir aus der Anatomie, wie das deine prominenten Kollegen schon immer getan haben.«
»Dabei fällt mir ein, daß dein Vater noch zur Verfügung steht, er muß jetzt bald mal eingeäschert werden.«
»Laß meinen Vater aus dem Spiel.«
Als wir es endlich geschafft hatten, daß Vater unter der Erde lag (wie abgemacht, in Hennings großem Grab), fiel mir ein Stein
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