Die Häupter meiner Lieben
einlud. Emilia fragte penetrant, ob im Dorfe nichts passiert sei, zum Beispiel eine Feuersbrunst. Erst am Ende des Gesprächs erinnerte sich die Kusine, daß es tatsächlich irgendwo gebrannt hatte. »Sind Menschen zu Schaden gekommen?« fragte Emilia.
»Sicher nicht, niemand wohnte dort. Zum Löschen war es zu spät, es brannte wie Zunder.«
Das sei typisch, sagte Emilia zu uns, eine solche Schlamperei, daß man Don noch gar nicht gefunden hatte, sei nur im Dorf ihrer Kusine möglich. Uns konnte es recht sein.
Der stumme Mario stammte vom Lande. Zwar war Emilia nicht so blöde, ihm von Dons verkohlter Existenz in einem Bergdorf zu berichten, aber sie erzählte gelegentlich von ihrer Kusine und vom Landleben, was sich unser Gärtner gern anhörte. Inzwischen hatte er, wenn auch mühselig, über sein bisheriges Leben Auskunft gegeben. Als Sohn einer großen Bauernfamilie hatte er schon als Junge die Heimat verlassen - wohl auch, weil er wegen seines Stotterns verspottet wurde - und in einer Fabrik als Lagerarbeiter Geld verdient. Später arbeitete er bei der Stadtverwaltung, fuhr den Wasserwagen, um die kommunalen Grünanlagen zu gießen, leerte Abfallkörbe in den Parks und versah ähnliche Dienste mit Umsicht und Sorgfalt. Seit einigen Monaten bekam er eine kleine Rente. In jungen Jahren hatte er sich mehrfach fürs Heiraten interessiert, aber vergeblich.
Emilia hatte inzwischen unzählige Fahrstunden absolviert und ein wenig den Glauben an ihre Fähigkeiten verloren. Mario übte mit ihr an jedem Wochenende, vor allem das entsetzliche Rückwärtseinparken, auf verlassenen Betriebsparkplätzen. Da er keine Kritik vorbringen konnte, sondern nur lächelte oder warnend den Kopf schüttelte, erreichte er mehr als der Fahrlehrer. Emilia meldete sich zur Prüfung an und bestand. Wahrscheinlich war dieser Tag ein Höhepunkt ihres Lebens.
Emilias Erfolg sollte gefeiert werden. Aber genau an diesem Tag, an dem ich eigentlich mit Cora einkaufen und kochen wollte, verfiel ich in eine schwere Depression.
Nachts hatte ich schlecht geträumt. Genau wußte ich nicht mehr, wie es geschehen war, aber man hatte in diesem Traum Béla ermordet. Ich wachte schweißgebadet auf, torkelte die Treppe zu Emilia hoch und nahm meinen schlafenden Sohn aus seiner Pinientruhe. Emilia schalt mich. Mit Béla in den Armen versuchte ich weiterzuschlafen. In der Dunkelheit standen mein Bruder, meine Mutter und mein Vater, Henning und Don vor mir und streckten die Arme nach meinem Kind aus.
Wie gesagt, ich war am nächsten Tag nicht zu gebrauchen. Emilias Festessen wurde verschoben, sie ging statt dessen mit Mario ins Kino.
Ich lag im Bett, unfähig etwas zu tun. Cora erschien mit Béla an der Hand. »Wenn du Fieber hast, sollte man einen Arzt holen«, schlug sie vor. Diese Worte erinnerten mich an den kranken Don, und ich heulte los.
»Meine Eltern haben beschlossen, Weihnachten hier bei mir zu feiern. Mein Vater hat gesagt, wenn der Prophet nicht zum Berg kommt und so weiter«, sagte Cora, »aber ich möchte meine Familie nicht bei mir haben. Man will uns erziehen, uns auf die Finger klopfen und gute Menschen aus uns machen. Vor allem soll ich eine elitäre Ausbildung absolvieren wie zum Beispiel mein Bruder. Architektur fand noch so eben Gnade in ihren Augen.«
»Kommst du nicht auf die Idee, daß sie dich lieben und deswegen mit dir zusammen sein möchten?«
»Sicher, ich liebe sie ja auch. Aber was hältst du davon, wenn wir Weihnachten einfach abhauen und die Eltern hier alleine feiern lassen?«
»Wohin sollen wir?«
»Ins Warme. Florenz ist mir manchmal zu laut, zu dreckig, zu voll, keine Parkplätze, alles so teuer...«
»Meinst du, woanders ist es besser?«
»Wir fahren ans Meer, nach Malta oder Nordafrika oder Sizilien, dann wirst du wieder lustig!«
»Ach Cora, meinst du, Verreisen ist ein Allheilmittel? Aber Emilia wird sich freuen.«
»Emilia bleibt hier; und Mario soll auch im Haus wohnen, um ihr bei der Arbeit mit drei Weihnachtsgästen zu helfen. Bin ich nicht eine gute Kupplerin?«
Beim Gedanken an Mario als Butler und Emilia, die ihre Chancen wahrnehmen würde, wurde ich zusehends munterer. Aber der Plan, Coras geschenkebringende Eltern in ein leeres Haus zu locken, schien mir gemein.
»Sag deinen Eltern ab«, riet ich, »erzähl ihnen, daß wir wegfahren. Mario kann trotzdem bei Emilia wohnen, damit er die Einbrecher verjagt oder so.«
Emilia kam spät vom Kino zurück. Leicht verlegen gestand sie, Mario habe
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