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Die Häupter meiner Lieben

Die Häupter meiner Lieben

Titel: Die Häupter meiner Lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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vor?« fragte Cora.
    Leider war ich technisch ziemlich unbegabt. Ich konnte noch nicht einmal einen Reifen wechseln und hatte Angst, ein fremdes Auto auch nur zu fahren. »Ich gehe in unsere Disko«, sagte ich unsicher, »dort steht immer ein Jeep vor der Tür. Ich muß irgendwie rauskriegen, wem er gehört, und die Schlüssel klauen.«
    Cora wurde wieder ganz die alte, die sich nicht ungern auf Abenteuer einläßt. »Laß mal«, sagte sie, »ich weiß etwas Besseres. Ich kenne einen Typ aus der Uni, der einen Jeep besitzt, jedenfalls so etwas Ähnliches. Dieses reiche Muttersöhnchen fährt außer dem Jeep einen Sportwagen. Er fühlt sich als Bildhauer und braucht den Jeep gelegentlich für Marmorblöcke. Ich schaue mal eben vorbei und stehle ihm die Schlüssel.«
    Emilia und ich waren begeistert. »Komm mit«, sagte Cora, »fahr du und warte unten auf der Straße. Wenn der Kerl nicht zu Hause ist, komme ich nicht rein. Dann müssen wir gemeinsam in die Disko.«
    Wir brachen auf, es war nicht weit. Notfalls konnte Cora nach Hause laufen. Emilia blieb mit Plastikpaket und schlafendem Béla zurück. »Wenn ich nicht wiederkomme, kannst du zur Tankstelle fahren und beide Reservekanister voll machen«, befahl Cora. Ich wartete fünf Minuten, sah oben im besagten Appartement das Flurlicht aufleuchten und fuhr den Cadillac zur Essostation.
     
    Als ich heimkam, hatte Emilia das Paket schon dicht an die Haustür gezerrt. »Zum Glück ist er wirklich nicht schwer«, sagte sie, »wir hätten das mit den zwölf Päckchen gut hingekriegt.«
    »Wenn es heute mit dem Jeep klappen sollte«, fragte ich, »wie weit müssen wir dann fahren? Und was soll ich mit Béla machen?«
    Emilia wand sich ein wenig. »Fünf Stunden vielleicht«, sagte sie.
    »Dann müssen wir Béla mitnehmen«, entschied ich, und es war mir überhaupt nicht recht. Konnte ich nicht einfach hierbleiben? Emilia mußte den Weg zeigen, eine von uns mußte fahren - aber waren wir alle drei bei diesem Unternehmen unabkömmlich?
    Cora trat ein und schwenkte zwei Schlüssel. »Es war fast zu leicht«, sagte sie, »der Typ holte Wein, ich griff in seine Manteltasche, ein Kuß, ein Schluck - das war's schon. Zum Glück stand der Wagen in der Tiefgarage, er konnte ihn nicht losfahren hören.«
    »Aber wenn er heute noch seinen Jeep braucht?« fragte ich.
    »Bestimmt nicht, abends nimmt er das andere Auto. Außerdem wollte er überhaupt nicht mehr aus dem Haus. Morgen früh steht sein Jeep wieder im Stall, und er wundert sich ein bißchen, daß der Schlüssel steckt.«
    »Cora, kann ich nicht hierbleiben - oder du? Ich möchte nicht, daß Béla mitkommen muß.«
    »Entweder alle oder keiner«, sagte Cora.
    Emilia spähte aus dem Fenster. Es war erst elf, aber schlechtes Wetter und ziemlich ruhig draußen. »Los«, sagte sie, »jetzt müssen wir anpacken. Stellt den Jeep rückwärts an die Haustür.«
    Cora rangierte den Wagen, ich zog Béla etwas Warmes an, Emilia sperrte den winselnden Hund ins Bad. Dann wuchteten wir unser Paket bis vor den Wagen und warteten, bis die Straße weit und breit verlassen wirkte. Cora öffnete die Wagentür. Wir mußten noch einmal schwer heben und die Leiche auf den rückwärtigen Boden schieben.
    »Kinder, ihr müßt euch etwas anderes anziehen«, befahl Emilia, »Turnschuhe und dunkle Sachen.«
    Pippo heulte wie ein junger Wolf im Bad. »Das geht nicht«, sagte ich, »die Nachbarn hören es und merken sofort, daß keiner im Haus ist.« Also wurde Pippo wieder befreit, wenn auch Cora schimpfte, denn jetzt schrie Béla.
    Endlich fuhren wir mit Kind, Hund, warmen Decken und Leiche los, Dons Rucksack lag vorn zu Füßen der Beifahrerin. Ich saß zuerst am Steuer, denn Cora wollte die schwierige Bergstrecke übernehmen. »Was hast du deinem Bildhauer erzählt, als du ihn so kurz und plötzlich besucht hast?« fragte ich.
    »Früher war ich oft mit ihm zusammen, noch bevor ich Henning kennengelernt habe. Er war monatelang hinter mir her. Für meinen Geschmack kokst er zuviel. Das letztemal habe ich ihn auf der Gentileschi-Ausstellung gesehen. Also habe ich ihn vorhin gefragt, ob er den Katalog besitzt, aber der Geizhals hat ihn nicht gekauft. Aber er war so begeistert, mich wiederzusehen, daß er den Katalog auftreiben will und ihn mir in den nächsten Tagen bringen wird.«
    »Madonna!« stöhnte Emilia. »Nicht schon wieder ein junger Mann im Haus!«
    »Hör mal«, fuhr ich sie an, »es wird nicht der letzte junge Mann in Coras Haus sein, du

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