Die Häupter meiner Lieben
ihr seine kleine Wohnung gezeigt. »Sieh mal, Cora«, sagte sie und wickelte einen schweren Pflasterstein aus einer Zeitung, »was hältst du davon?«
Cora sagte sofort: »Woher hast du den, hast du noch mehr davon? Das ist ein ganz altes Stück!«
Emilia tat geheimnisvoll. Mario hätte noch mehr davon. Wenn Cora Interesse hätte, könnte er die ganze Terrasse damit auslegen.
»Und wie teuer?« fragte Cora.
Ganz billig, meinte Emilia, schließlich sei Mario diesem Hause in ehrerbietiger Freundschaft verbunden.
Als Emilia und Béla im Bett lagen, sagte Cora: »Hast du kapiert, was das für ein Steinchen ist?«
»Ein edles!«
»Es ist ein Pflasterstein von der Piazza della Signoria, nach dem Campo in Siena der schönste Platz der Welt.«
»Wieso besitzt dann ein armer Teufel wie Mario solche Steine?«
Cora berichtete, daß man das Pflaster von der Piazza entfernt hatte, weil man an dieser Stelle Ausgrabungen vornahm. Zwei Jahre später wollte man das alte Pflaster wieder ordentlich verlegen, aber die Originalsteine waren verschwunden. Ein Skandal! Anscheinend hatte Mario, der bei der Stadt angestellt war, mit seinem Wasserauto eine Fuhre mitgenommen, vielleicht in der naiven Absicht, auf dem Bauernhof seines Bruders den Stall damit auszulegen. Aber er konnte nur einen kleinen Teil vom ganzen Kuchen besitzen, wenn es gerade für unsere Terrasse reichte.
»Na, ist das nicht ein Glückstag?« fragte Cora. »Ein Pflaster, das im achtzehnten Jahrhundert Großherzöge anlegen ließen, ist demnächst auf meiner Terrasse!«
Cora steckte mich an mit ihrer Freude. Außerdem gab es jetzt einen perfekten Grund, Mario an Weihnachten hier einzuquartieren: er sollte uns die Pflastersteine, sorgfältig in ihrem schönen Muster aneinandergepaßt, verlegen.
»Cora, die Sache hat aber einen Haken. Du hast bei einem einzigen Stein bereits erkannt, woher er ist. Meinst du nicht, daß künftige Besucher unsere Terrasse sofort als kleine Piazza della Signoria identifizieren?«
»Ach was, das ist ein altes Haus, da gibt es logischerweise auch alte Steine. So schlau wie ich sind unsere Besucher nicht.«
»Da sei mal nicht so sicher, dein Freund mit dem Jeep zum Beispiel, der Bildhauer, der versteht sicher etwas von Kunstgeschichte.«
»Den lass' ich nur in die Küche.« Cora blieb verstockt und unvorsichtig, aber ich muß zu ihrer Ehrenrettung sagen, daß alle unsere Gäste tatsächlich der Meinung waren, der edle Terrassenboden hätte schon immer so ausgesehen.
Auch Coras Bruder Friedrich rief an. Er gab nicht zu, daß sein beleidigter Ton der eigenen Kränkung entsprang, sondern berief sich auf die armen Eltern, die nicht verstanden, womit sie die ablehnende Haltung ihrer Tochter verdienten.
Ich sagte zu Cora: »Ehrlich, ich habe mir immer deine Eltern gewünscht. Du hast dieses unverschämte Glück und stößt es mit Füßen.«
»Du idealisierst meine Eltern, Maja. Als Kind hätte ich gern eine Mutter gehabt, die mit einer weißen Schürze in der Küche steht und Kuchen bäckt, nicht eine, die in schicken Kostümen Vernissagen besucht.«
»Emilia steht gerade in der Küche und macht Ravioli-Teig.«
Cora achtete nicht auf meine Bemerkung. »Und ich hätte einen Vater gebraucht, der mir mein Fahrrad repariert oder mit mir einen Hamsterkäfig bastelt, was hatte ich schon von seinen eloquenten Reden!«
»Mario ist stumm und zimmert gerade für Pippo eine Hundehütte.«
Nun lachte Cora. »Du hast recht, wir haben uns neue Eltern zugelegt.«
Emilia bat darum, noch vor Weihnachten für ein paar Tage das Auto zu bekommen. Sie wollte mit Mario und Pippo ihre Kusine besuchen.
»Wenn der Stumme weitgehend das Fahren übernimmt, habe ich nichts dagegen«, sagte Cora, »aber macht mir keine Dummheiten!« Sie drohte Emilia mit dem Zeigefinger.
Bepackt mit selbstgebackenem Kuchen, großstädtischem Weihnachtskitsch und praktischen Gaben machten sich die beiden auf die Fahrt. Wir winkten ihnen nach.
Schon nach einer Stunde fiel uns auf, was wir an Emilia hatten. Schließlich war sie den ganzen Tag in Bewegung, und wenn sie nicht gerade arbeitete, gab sie sich mit Béla ab und zeigte ihm geduldig und liebevoll einen Ausweg aus seinem allzufrüh einsetzenden Trotz.
Cora malte, ich verrichtete Hausarbeiten und betreute mein Kind. Gelegentlich überlegte ich, ob ich Jonas für immer abschreiben und Friedrich wieder anködern sollte. Im Grunde hoffte ich, daß sich noch weitere Möglichkeiten boten, und ließ die Entschlüsse erst
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