Die Häupter meiner Lieben
geschrieben und Emilia seine Post zum Einwerfen übergeben. Die Karte an seine Eltern war langweilig: lovely Italy und so weiter. Der Brief, den Emilia bereits geöffnet hatte, wäre uns zum Verhängnis geworden. Don berichtete seiner Frau, er sei einer interessanten Sache auf der Spur. Es handelt sich um eine deutsche Witwe - weder jung noch schön -, die offensichtlich ihren reichen Mann hat umbringen lassen.
»Wie bist du auf die Idee gekommen, daß es in diesem Brief um ein brisantes Thema geht? Du kannst doch kein Wort Englisch?« fragte ich.
Emilia zuckte mit den Schultern. »Intuizione«, sagte sie bescheiden.
Mario trug Don ohne Hilfe in die Küche und legte ihn, immer noch gut eingewickelt, in eine Ecke. »Nein, bring ihn gleich nach draußen«, fuhr ich ihn an und hielt mir vorsorglich die Nase zu.
Aber Cora kam mit Fotoapparat, Zeichenblock und Stift. »Wiedersehen macht Freude«, sagte sie, »aber du solltest lieber mal nach Béla sehen, wenn du schwache Nerven hast.«
Als sie die Decke von Don abzog, konnte ich mich doch nicht zurückhalten und sah hin. Ich werde den gräßlichen Anblick in meinem Leben nicht vergessen.
Glasklar
Ich kenne italienische Friedhöfe, die völlig verkabelt sind, weil die Angehörigen neben dem Foto der Verstorbenen eine ewige Glühbirne brennen lassen. Wegen der Hitze gibt es fast nur Plastikblumen. Die Farbe grün, die auf deutschen Friedhöfen vorherrscht, ist hier kaum vertreten. Sicher, ein paar Zypressen umsäumen das Totenreich, aber wenn ich an die Vogelstimmen denke, die aus den Bäumen am Grab von Carlo und meiner Mutter zwitschern, dann sind mein Vater und Henning ruhiger untergebracht. Falls man davon ausgeht, daß die Toten noch irgendeinen Genuß aus ihrer Grabstelle ziehen, dann hat mein Vater mehr Sonne als meine Mutter und sie dafür mehr Grünzeug.
Dons Grab liegt leider direkt vor unseren empfindlichen Nasen. Mir wäre es lieber, er würde als Ausländer auf dem historischen Cimitero degli Inglesi liegen, einem Friedhof, der wie seine Toten verfällt und vermodert. Wenn wir auf der Terrasse Kaffee trinken, bringt sich unser Liebhaber immer wieder auf unangenehme Weise in Erinnerung.
Mario hatte versprochen, Don über Nacht zu bestatten, und er hielt Wort. Das alte Pflaster wurde hierfür in einem etwas verdächtigen Format entfernt. Die dichte Lorbeerhecke ließ neugierigen Nachbarn keinen Durchblick; außerdem behauptete Emilia, das angrenzende Haus sei nur im Frühjahr und Herbst bewohnt.
Cora und ich waren froh, noch eine Maschine der Alitalia nach Sizilien zu erwischen. Béla saß auf meinem Schoß, wurde von einem bildschönen Steward gehätschelt und erwies sich als gutgelaunter Reisekamerad.
Am Terminal der schwarzen Lavastadt Catania lauerte ein Pulk von Fotografen und Paparazzi. »Großer Bahnhof für uns«, scherzte ich und ging ein Gepäckwägelchen holen. Wir erfuhren, daß ein Politiker aus Rom erwartet werde, der Weihnachten stets bei seiner Mama in der Heimat verbringe.
Als ich mit dem Trolley bei unseren Koffern ankam, wurde Cora (mit Béla an der Hand) von der Foto-Mafia geblitzt. Sie bleckte die Zähne wie ein hungriger Hund, und die bis jetzt aufrichtig gelangweilten Presseleute riefen: »Ancora!«
Wir fragten unseren Taxifahrer nach einem empfehlenswerten Hotel. Er bringe uns fünfzig Kilometer weiter nach Taormina, sagte er, dort hätten wir die Wahl zwischen nobel - in einem ehemaligen Kloster -, mittel und bürgerlich.
»Wir können uns nobel leisten«, überlegte Cora, »aber ob es Spaß macht, mit lauter Henning Kornmeiers Weihnachten zu feiern? Nehmen wir lieber bürgerlich, dann haben wir vielleicht Aussicht auf nette Gesellschaft!«
Unser Hotel war reizend, bei aller Bürgerlichkeit aber nicht gerade billig. Wir hatten einen spektakulären Blick auf das Meer links und den Ätna rechts. Das Wetter war mild, fast sah es nach Regen aus. Wir richteten uns in einer sogenannten Juniorsuite ein, legten uns alle drei ein wenig aufs Ohr und schlenderten dann über den Corso Umberto. Zum Abendessen bestellten wir gefüllten Schweinefuß mit Linsen und danach die köstliche Torta di Mirtilli - Tirami su mit Heidelbeeren.
Beim späten Frühstück am nächsten Tag stürzte die Kellnerin aufgeregt mit einer Zeitung an unseren Tisch. Cora war in Großformat abgebildet. Die Witwe des ermordeten brasilianischen Millionärs Kornmeier besucht mit ihrer kleinen Tochter Sizilien lasen wir.
»Wie blöd die sind«, sagte
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