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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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nicht gestohlen, oder?«
    Tyrell vollzog eine nachdenkliche Geste. Aber diese Geste war bloß ein Schmuckstück, das er in sein Gesicht fügte. Er wußte ja längst, Lilli nicht loswerden zu können, ohne etwas preiszugeben, was ihr half, den Fall aufzuklären. Weshalb er nun von einem Mann erzählte, der einen ganzen Karton dieser Ongghot-Fellpuppen in Auftrag gegeben und auch abgeholt hatte. Allerdings sei der Mann definitiv kein Händler gewesen. Er, Tyrell, kenne sämtliche Händler in Toad’s Bread. Außerdem habe der Betreffende nicht wie ein Hiesiger gesprochen. Schneller als die Leute hier. Auch anders gerochen.
    Â»Anders gerochen?«
    Â»Wenn Sie erst einmal ein paar Jahre an diesem Ort leben, riechen Sie auch danach. Sie riechen unterirdisch. Nicht vermodert, aber geräuchert. Dieser Mann hingegen … nun, er hat so wie Sie gerochen, Frau Steinbeck.«
    Lilli machte ein beleidigtes Gesicht.
    Tyrell verstand. Er beeilte sich zu erklären, daß Lilli natürlich ein sehr viel aufregenderes Odeur verströme als dieser Mann damals. Aber worauf er abziele, sei eine prinzipielle Geruchsnote, die den überirdisch vom unterirdisch lebenden Menschen unterscheide.
    Â»Hatte der Mann auch einen Namen?« fragte die überirdisch duftende Lilli.
    Â»Er hat sich nicht vorgestellt. Aber …« Tyrell erklärte, eine seiner Gepflogenheiten im Umgang mit der Kundschaft bestehe darin, sie zu photographieren. Nicht filmen, er möge kein Videozeug. Aber jede Person, die seinen Laden betrete, werde aus verschiedenen Positionen abgelichtet.
    Lilli sah sich um. »Ich kann nirgends eine Kamera entdecken.«
    Â»Wenn Erwachsene Photoapparate sehen«, bekundete Tyrell, »verhalten sie sich unnatürlich. Beginnen zu posieren, verkrampfen sich. Auf verkrampfte Gesichter kann ich verzichten. Nein, die Geräte sind gut versteckt.«
    Yamamoto wollte jetzt auch etwas sagen und fragte: »Und warum tun Sie das? Leute photographieren?«
    Â»Na, etwa für den Fall, daß zwei Polizisten bei mir hereinschneien und Auskunft über einen bestimmten Kunden verlangen.«
    Â»Sehr löblich«, kommentierte Lilli und bat um das Photo des Mannes, der so anders gerochen und anders gesprochen und eine Kiste Ongghuts erstanden hatte.
    Tyrell öffnete eine Lade und zog eine Mappe hervor, die er auf den Tisch legte und aufschlug. In der Tat handelte es sich um ein Photoalbum. Jedem Porträtierten war eine Doppelseite mit acht verschiedenen Abbildungen gewidmet, die stets aus den gleichen Winkeln aufgenommen worden waren. Ohne daß hier ein künstlerisches Bemühen sichtbar wurde. Tyrells Unternehmung bestand allein darin, eine Sammlung von Menschenbildern anzulegen, nicht bloß die Käufer seiner Puppen dokumentierend, sondern einen jeden Menschen, vom Postboten bis zum Schutzgeldeintreiber, der durch diese Ladentür trat. Zumeist einzelne Personen, manchmal auch Paare, wie etwa das Paar Lilli & Yamamoto, welches selbstverständlich keine Ausnahme machte und deren Konterfeis demnächst ebenfalls in diesem Album aufscheinen würden.
    Â»Hier, das ist er«, sagte Tyrell und wies mit einer Handbewegung, die aussah, als schiebe er einen Vorhang zur Seite, auf die acht Photos, die einen breitgesichtigen, schrankartig kompakten, bulligen Mann präsentierten. Kompakt von jener Art, die nicht nur Steherqualitäten vermuten läßt, sondern auch eine gewisse Beweglichkeit. Ein Schrank, der ausweichen kann und dessen Schnelligkeit so überraschend kommt wie die von Braunbären oder Krokodilen. Er wirkte auf den Bildern etwas ungepflegt, aber angesichts des smokingtragenden Tyrell wirkte jeder andere ungepflegt, selbst Yamamoto: unfrisiert und unrasiert.
    Â»Soviel kann ich Ihnen sagen«, erklärte Tyrell, »daß der Mann Russe ist und aus Ochotsk kommt. Wir haben nicht viel miteinander gesprochen. Aber das wenige hat gereicht. Ich weiß, wie die in Ochotsk reden. Als seien sie noch immer Kosaken.«
    Â»Denken Sie, der Mann hat das Zeug zum Mörder?«
    Â»Jeder hat das Zeug zum Mörder, der in der Lage ist, mit seinem Daumen eine Ameise auszudrücken.«
    Lilli grinste. Mit einem nachdenklichen Blick auf die achtteilige Anordnung erklärte sie: »Wir hätten gerne zwei, drei von den Photos.«
    Â»Und wer garantiert mir, daß ich die Bilder zurückbekomme?«
    Yamamoto beeilte sich, dies zu

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