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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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ist dort ganz scharf auf das Ding.«
    Â»Und du glaubst, den Baum hier unten zu finden, in Toad’s Bread? Ich meine, schau dich um!« Lilli ahnte, wie wenig Ivo wissen konnte, daß sich unterhalb dieser baumlosen Stadt mehr als nur eine dieser Lärchen befand.
    Ivo sagte: »Ich hoffte, hier auf jemanden zu treffen, der mir weiterhelfen kann. Der Bescheid weiß, wo diese Bäume wachsen. Bäume, die eine purpurfarbene Rinde besitzen. Aber vielleicht ist das auch nur eine Legende. Möglicherweise bin ich hinter etwas her, das es gar nicht gibt – und zwar einzig zu dem Zweck, dich wiederzusehen. Mitunter braucht es Umwege.«
    So, als nehme sie das Thema der »Umwege« auf, fragte Lilli: »Was ist mit der Frau und dem Kind?« Dabei warf sie einen Blick auf Galina und Spirou.
    Ivo erklärte, wer die beiden waren, wobei er Galinas Rolle auf die der taubstummen Suppenköchin reduzierte, aber gerne gestand, dem Jungen, der gewissermaßen aus der Fiktion einer belgischen Comicfigur herausgewachsen war – und zwar in der deutschen Übersetzung –, diesem Jungen also mit den stärksten Gefühlen zugetan zu sein.
    Â»Väterliche Gefühle?« fragte Lilli.
    Â»Ich denke, ich werde ihn mitnehmen, wenn ich nach Deutschland zurückgehe. Aber dazu benötige ich den Baum.«
    Â»Wieso? Darfst du den Jungen nur mit Baum mitnehmen? Oder ohne den Baum nicht wieder einreisen?«
    Â»Mein Gott, Lilli, ich habe einen Auftrag. Und lebe wie die meisten Menschen davon, Aufträge, die ich einmal akzeptiert habe, auch zu erfüllen.«
    Â»Hast du nicht selbst gesagt, daß diese Lärchenart möglicherweise gar nicht existiert?«
    Â»Vielleicht aber doch. Jedenfalls hat ein Mann in Ochotsk eine Probe des Baums nach Bremen geschickt. In der Zwischenzeit, so heißt es, sei er gestorben. Aber ich glaube, das stimmt nicht.«
    Ivo berichtete, Kallimachos’ Freunde, die Ewenken, hätten in Erfahrung gebracht, jemand aus Ochotsk würde sich in Toad’s Bread herumtreiben, Fragen stellen, Geld verteilen, eine merkwürdige Karte mit sich herumtragen … jemand, auf den die Beschreibung der Person passe, von der die Probe stamme. Ein Mann namens Romanow.
    Lilli holte die Photos hervor, die ihr der Puppenmacher überlassen hatte, reichte sie Ivo und fragte: »Könnte er das sein?«
    Ivo zeigte die Bilder einem aus der Gruppe der Ewenken. Dieser nickte.
    Breschnew war Romanow.
    Â»Also, dieser Mann, Romanow, er ist tatsächlich tot«, berichtete Lilli. »Allerdings erst seit einer Stunde. Er ist aus dem Fenster gesprungen. Nicht, ohne vorher noch zu töten.«
    Â»Der Frauenmörder?«
    Â»Genau der.«
    Ivo schüttelte irritiert den Kopf und fragte: »Wie paßt das mit dem Baum zusammen?«
    Lilli überlegte. Fontenelle hatte darauf bestanden, Yamamoto aus der Sache herauszuhalten, überhaupt Leute aus Toad’s Bread. Ivo aber war nicht aus Toad’s Bread, zudem würde er wohl kaum Ruhe geben, bevor er nicht etwas über die purpurnen Dahurischen Lärchen erfuhr. Darum war er hier. Und obgleich außer Frage stand, daß es ihm niemals gelingen dürfte und auch nicht gelingen würde, nur einen von den Bäumen mit nach Europa zu nehmen, mußte man ihm die Möglichkeit geben, diesen zauberischen Wald zu sehen, um zu begreifen, wie wichtig es war, das Geheimnis als ein solches zu erhalten. Wie wenig man dort unten ehrgeizige Bremer brauchen konnte. – Nichts gegen die Bremer an sich, solange sie sich allein um ihr Bremen kümmern.
    Â»Ich kann dir etwas zeigen«, sagte Lilli, im Stile der Fee, die sie war, »aber du mußt versprechen, darüber nicht zu reden.«
    Â»Wenn es mit dem Baum zusammenhängt«, erwiderte Ivo, »wird es mir schwerfallen, meine Klappe zu halten.«
    Â»Leichtfallen muß es auch nicht. Im Gegenteil, je schwerer etwas fällt, um so mehr ist Verlaß darauf. Die leichten Dinge kippen so leicht.«
    Â»Du hattest schon immer diese bestimmte Gabe«, meinte Ivo, »mir die Wörter aus dem Mund zu nehmen, sie zu verändern, zu verwandeln, und sie mir dann zurück auf die Zunge zu legen. Und plötzlich hab ich fremde Wörter im Mund.«
    Â»Nicht fremde, bessere«, sagte Lilli und lachte leise. Das Lachen umfing Ivo, eine Kette bildend. Eine leichte Kette, weil es nämlich auch leichte Dinge gibt, die gut halten.

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