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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Toad’s Bread herrschten, Ivos ausgeprägte Hohlwangigkeit einen tiefen Schatten verursacht hatte, der das Stigma quasi verschluckt hatte. Erst jetzt war es wieder deutlich zu erkennen, was die beiden verband.
    Lilli fragte Ivo, wie er zu dieser Wunde gekommen sei.
    Ivo legte eine Fingerkuppe auf seine Narbe, wie um ein Kind am Sprechen zu hindern. Durch den Mund aber redete er. Er erklärte, es handle sich um das Präsent eines Verrückten, der sich für die bestimmende Kraft von Ochotsk halte und eine ganze Reihe Leute mit solchen »Brandmalen« ausgestattet habe: mal zwei Punkte, mal drei Punkte – fünf davon eher selten.
    Â»Dann gehören Dr. Ritter und Sie also zu den Favoriten dieses Herrn«, folgerte Fontenelle.
    Ivo überlegte, ob er preisgeben sollte, von Lopuchin bloß zum Zwecke der Tarnung auf eine diesbezügliche Weise markiert worden zu sein. Doch er entschied sich dagegen und beließ es mit der Erklärung, noch nie einem Dr. Ritter begegnet zu sein.
    Â»Sie werden ihn kennenlernen«, kündigte Fontenelle an, »er hat gerade noch zu tun. Er ist Zahnarzt. Denn mitunter gibt es auch Zähne zu ziehen.«
    Eine Pause trat ein, als verschlage der Umstand verderbender, sterbender Zähne einem jeden die Sprache. In die Pause hinein war das Knistern von Papier zu vernehmen. Lilli entfaltete die Karte, legte sie auf einen Tisch und fuhr glättend mit den Handflächen darüber. Alle traten näher.
    Â»Diese Karte«, sagte Lilli, »hatte Romanow bei sich, der Mörder der fünf Frauen.«
    Â»Fünf?« fragte Fontenelle, die ja nur von vieren wußte.
    Â»Ja, Jola Fox, noch eine Ihrer Pflückerinnen … Wir kamen gerade dazu, als … Romanow hat Jola erschossen. Wobei auch sein kann, daß er eigentlich mich treffen wollte. Aber es ist nun mal, wie es ist. Romanow hat abgedrückt und ist danach aus dem Fenster gesprungen. Kaum anzunehmen, daß er ernsthaft gehofft hat, mit einer Rolle vorwärts davonzukommen. Er wollte einfach verhindern, daß wir ihn in die Finger kriegen. Manche Leute sind lieber tot als in der Obhut der Polizei. So ist uns allein die Karte geblieben. – Ziemlich klar, was sie darstellt. Aber wozu?«
    Fontenelle setzte sich eine Brille auf, beugte sich über das Papier wie über einen Patienten, betrachtete eingehend die Details und meinte dann: »Absolut unser Wald. Präzise. Wie auch immer der Kerl an diese Karte gekommen ist.«
    Â»Es sieht aus«, meinte Lilli, »als hätte Romanow einen Baum gesucht, aber nicht gefunden. Einen bestimmten.«
    Â»Mag sein«, sagte Fontenelle, »aber ich wüßte nicht zu sagen, wieso da ein Baum anders als die anderen sein sollte. Das ist ein Kollektiv. Ein Wald- und Fliegenpilzkollektiv.«
    Es war nun Ivo, der äußerte, er könne vielleicht einen Hinweis geben. Und zog nun seinerseits einen Plan aus der Jackentasche, den er neben Lillis Karte ausbreitete. Keine Frage, beide Darstellungen zeigten das gleiche Areal, auf beiden Abbildungen erschien dieselbe Spiralform, dieselbe Verteilung zahlreicher Objekte, einmal als unnumerierte Punkte, das andere Mal als bezifferte Kreise, aber identisch plaziert. Ivo Berg wies mit dem Finger auf eine markierte Stelle auf seiner Skizze, dort, wo ein Kreuz einen Punkt überlagerte – nahe dem Mittelpunkt der Spirale. Wenn man jene Kennzeichnung auf Lillis Karte übertrug, so ergab dies den Baum mit der Nummer viertausendsiebenhundertachtzehn, der sich in einer Entfernung von einhundertzwei Bäumen vom absoluten Zentrum befand. Wobei dieser Mittelpunkt auf dem Plan ohne Baum war, eine kleine Lichtung mit der »Ausstrahlung« eines galaktischen Zentrums, eine dieser extremen Massekonzentrationen, die man als schwarze Löcher kannte und die man im Falle von singulären Lichtungen wohl als weiße Löcher bezeichnen müßte.
    Â»Woher hast du diese Karte?« fragte Lilli.
    Â»Von Lopuchin.«
    Â»Gestohlen?«
    Â»Nein, er hat sie mir gegeben.«
    Fontenelle fuhr dazwischen: »Ich dachte, er ist Ihr Feind.«
    Â»Er hat sie mir nicht aus Freundschaft anvertraut.«
    Â»Sondern?«
    Â»Es geht um eine Schatulle, die ich für ihn finden soll. Fragen Sie mich nicht, was sie beinhaltet. Ich weiß es nicht.«
    Lilli vermutete, auch Romanow habe sich auf der Suche nach diesem Gegenstand befunden. Sie fragte Fontenelle, ob sie etwas

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