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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Sterben ohne Puppe. An diese Regel – wenn schon nicht an die Regel, auf scharfe Munition zu verzichten – hatte sich auch Breschnew halten wollen.
    Lilli nahm die verschlossene Fellpuppe und tat sie in ihre Tasche, wo ja bereits eine andere Puppe lagerte.
    Valerijas Puppe und Jolas Puppe. Und eigentlich hätte es auch für Breschnew eine geben müssen. Gab es aber nicht. Hatte er auch nicht verdient.
    Lilli verblieb noch eine Weile in der Küche und bereitete sich einen Kaffee. Das war jetzt wirklich nötig. Ohne Zucker, ohne Milch, schwarz, tiefschwarz. Und in der Tat schmeckte der Kaffee an diesem ekliptischen Tag sehr viel dunkler und tiefer, als Lilli das von jedem anderen Kaffee gewohnt war. Sie schloß die Augen und war für einige Momente ganz eins mit dem schweren Geschmack in ihrem Mund. Dann erhob sie sich, trat durch das Zimmer, überzeugte sich ein letztes Mal davon, die Tote in der richtigen Weise »aufgebahrt« zu haben, und ging nach unten.
    Eine Menschenmenge umringte den abgestürzten Körper. Niemand aber faßte ihn an. Yamamoto stand ein wenig abseits. Soeben erschienen Männer, deren helle Armbinden sie als Sanitäter auswiesen. Sie verscheuchten die Menge.
    Lilli trat an Yamamoto heran und fragte, ob er auf etwas gestoßen sei.
    Â»Sie sagen mir doch auch nie was«, meinte der Samurai trotzig.
    Â»Hören Sie auf, ein Kind zu sein«, tadelte Lilli.
    Der Polizist verschränkte sein Gesicht zu einer abwehrenden Geste. Aber er redete dennoch: »Ausweis hatte er keinen. Aber er hatte das hier bei sich.«
    Yamamoto zog ein dickes Stück Papier aus seiner Tasche, das er zu einem Plan entfaltete, den er Lilli reichte. Eine Karte mit einem System aus Höhenlinien, was die Darstellung einer Landschaft vermuten ließ. – Stimmt schon, die grüne Untergrundfärbung würde erst wieder am Folgetag sichtbar werden, war allerdings schon jetzt zu erahnen. Man konnte sagen: Der Geist von Grün war auch im Schwarzweiß erkennbar.
    Der Großteil der Fläche war mit kleinen Kreisen übersät, die in ihrer Gesamtheit eine Spiralform bildeten, eine Spiralform aus mehreren Armen, was nun wiederum an eine von oben betrachtete Wolkenformation denken ließ, an das Satellitenbild eines Hurrikans, eins von diesen Dingern, die Rita oder Hugo heißen und sich genauso benehmen.
    Als wären nun die Kreise nicht schon winzig genug, war in einen jeden auch noch eine Nummer gefügt, ein- bis vierstellig. Zwar bildeten die Kreise keine sichtbaren Gruppen, denn dafür waren sie viel zu gleichmäßig verteilt, aber zwischen ihnen zogen schmale Streifen – mal gerade, mal gebogen, mitunter Plätze bildend – durch das schematisierte Gelände, offensichtlich Wege und Lichtungen darstellend.
    Nach einigem Überlegen begriff Lilli, was sie da vor sich hatte: eine Karte, die den Lärchenwald illustrierte, welcher zwischen der Stadt und dem Kraftwerk ein geheimes Dasein führte und der Belieferung von Toad’s Bread mit frischem Fliegenpilz diente. Es waren die einzelnen Bäume, die hier mit Kreisen und einer Nummer über ihren jeweiligen Standort Auskunft gaben. Der, der mit einer Eins bezeichnet wurde, befand sich nahe einem viereckigen, am westlichen Rand gelegenen Umriß, bei dem es sich eigentlich nur um den Verwaltungstrakt handeln konnte, auf dessen Terrasse Lilli aus ihrer Betäubung erwacht war. Das System der Aufzählung erfolgte von außen nach innen, die verschiedenen Spiralarme in Zahlengruppen aufteilend, so daß sich im Zentrum des Areals, gewissermaßen im Auge des aus Lärchen bestehenden Wirbels, die höchste Numerierung ergab, ein Baum mit der Nummer viertausendachthundertzwanzig.
    Am Rand der Karte waren handschriftliche Notate in kyrillischer Schrift vorgenommen worden, dazu Zeichen und Symbole von der mathematischen Art, bei denen es sich aber auch gut und gern um Verlegenheitskritzeleien handeln konnte. Manche der Bäume waren mit einem Fragezeichen versehen, viele mit Kreuzen durchgestrichen oder mit Häkchen markiert.
    Â»Jetzt sagen Sie nicht«, meinte Yamamoto, »Sie hätten keine Ahnung, was das hier darstellen soll. Sie wissen es doch, oder?«
    Lilli hatte die Schwindelei satt. Sie gestand: »Ja, ich habe eine Vermutung. Aber dazu müßte ich Ihnen etwas erzählen, was ich nicht erzählen darf. Außerdem ist der Fall

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