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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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schleuderte und er nahe der Theke auf dem Boden landete, wobei er zwei Leute mit sich riß.
    Ivo bereute sofort, was er getan hatte. Denn die Rolle in dem Spiel, das ihm von der Mehrheit und Übermacht an diesem Ort zugeteilt worden war, war ja die des Opfers. Natürlich durfte ein Opfer sich wehren: verzweifelt, ungeschickt, opferartig eben. Selbst seine Provokation, den Mann namens Heinz andeutungsweise in die schwule Ecke gestellt zu haben, ging noch an, konnte noch als Ausdruck der Hilflosigkeit, einer aus der Hilflosigkeit gekeimten tollkühnen Erwiderung verstanden werden. Aber nie und nimmer ging es an, daß er, Ivo, so zart und städtisch blaß, wie er war, diesen Heinz k.o. schlug. Denn genau das war dem Neunzig-Kilo-Kerl widerfahren: k.o. geschlagen von einer unsichtbaren Luftströmung, die keiner wahrgenommen hatte. Da lag er nun wimmernd am Boden und beklagte sich stotternd ob des unfairen Manövers, nämlich ohne Vorwarnung ins Gesicht geboxt worden zu sein.
    Weil es jetzt schon egal war, sprach Ivo hinunter zu dem Mann: »Hör auf zu flennen, du Mimose!«
    Dann spürte er, wie er von hinten gepackt wurde. Er wehrte sich nicht. Es waren zu viele. Und er wäre auch kaum in der Lage gewesen, seine pneumatische Technik beliebig oft zu wiederholen und die Gegner reihenweise außer Gefecht zu setzen.
    Â»Hört zu, Kinder, so geht das nicht«, sagte jetzt ein älterer Mann, nicht der Hotelbetreiber, aber wohl ein einheimischer Kellner, »wir sind hier kein Ringerklub. Wenn ihr spielen wollt, dann geht raus.«
    Â»Danke, aber ich bin müde«, äußerte Ivo, »ich möchte jetzt wirklich gerne ins Bett.«
    Â»Kannst du später«, sagte einer. »Wir gehen noch schwimmen.«
    Â»Bitte?«
    (Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen, die in den nächsten Tagen die Begebnisse dieser Nacht zu klären versuchten, verwiesen Zeugenaussagen darauf, Ivo Berg habe wegen eines nicht näher bekannten Disputs einen der einheimischen Burschen mit einem Karateschlag attackiert, woraufhin alle involvierten Gäste von einem Hotelangestellten des Lokals verwiesen worden seien. Ivo Berg sei von seinem Kontrahenten bloß mit einer kleinen Kopfnuß bedacht worden, während er selbst auf eine ausgesprochen brutale Art und Weise …)
    In der Tat wirkte die ganze Gesellschaft eher ausgelassen denn aggressiv, als sie nun das Lokal verließ und in die eisige Luft hinaustrat, über sich einen Sternenhimmel im Stile einer prächtigen Schimmelbildung.
    Â»Auf zum Schwimmbad!« war die Parole.
    Ivo, der noch immer im festen Griff seiner Begleiter steckte, ging davon aus, bei »Schwimmbad« handle es sich um ein Synonym. Am ehesten sei wohl eine Kneipe gemeint, aus der man nicht bei der erstbesten Rangelei geworfen wurde. Aber er irrte sich. Es war in der Tat das hiesige Hallenbad, das man ansteuerte. Ein unglaubliches Ding, das am nordöstlichen Ortsrand in den Hang hineingebaut worden war. Unglaublich, weil so riesig. Offensichtlich war geplant gewesen, eine Art Wellneßcenter zu errichten, mit Saunalandschaften, enormen Rutschen, künstlichen Lagunen, Wellenbädern, Fitneßanlagen, Restaurants und all dem Drumherum derartiger Freizeitphantasien. Aber nachdem der Rohbau einmal gestanden hatte – ein nicht unraffinierter Komplex aus einer geschwungenen, tänzerisch anmutenden Vorderfront und einer Rückseite, die gleich einer Welle gegen den Hügel schwappte –, war das Geld knapp geworden. In der Folge waren die Investoren abgesprungen, und eine Bestechung war ans Licht der Öffentlichkeit gekommen. Nichts, was man nicht auch von anderswoher bestens kannte, nichts, was den Beteiligten das Genick gebrochen hätte, aber Faktum war leider, daß man diesen gewaltigen Bau nie und nimmer würde fertigstellen können. Auf der anderen Seite mangelte es dem Ort tatsächlich an einer Schwimmhalle, weshalb man sich entschlossen hatte, in diese für ein großes Bad gedachte Betonhülle ein kleines Bad zu fügen – eine aus der Verpackungsindustrie bekannte Variante, auch den leeren Raum als einen vollen zu begreifen. Und weil es eher unüblich war, den Baukörper im Halbfertigen oder Angedachten zu belassen, hatte man die Fassade – welche eine ozeanische Kraft verbildlichte, eine Erinnerung an das Urmeer, das hier vor zweihundert Millionen Jahren das Leben bestimmt hatte, lange vor

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