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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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der CDU – in allen Details fertiggestellt, so daß von außen der Eindruck entstand, der Traum vom Wellneßcenter habe sich doch noch erfüllt. Im Inneren freilich war allein im Westflügel ein recht banales, aber vernünftig zu nennendes Fünfundzwanzig-Meter-Becken eingerichtet worden, dazu eine kleine Rutsche und ein moderater Sprungturm von drei Meter Höhe. Auch existierten ein Saunabereich, aber keiner, in dem man sich verirren konnte, sowie eine Squashhalle und eine Kantine. Übersichtlich, praktisch, den Verhältnissen entsprechend. – Ja, sah denn nicht vieles in der Welt so aus? Überall gigantische Behältnisse und Gehäuse, die in Wirklichkeit sehr viel weniger gigantischen Zwecken dienten.
    Jedenfalls bot dieser Komplex, der von der Bevölkerung seiner auskragenden Gebäudeschnauze wegen den Namen »Weißer Hai« erhalten hatte, einen beeindruckenden Anblick, auch darum, weil er, gleich der Stiftskirche, nachts beleuchtet wurde. Das mochte als Verschwendung erscheinen, aber das ganze Gebäude war ja eine Verschwendung. Und das Prinzip der Verschwendung ist seine Gebärfähigkeit, seine Fortpflanzung. – Wer hätte je von einer zeugungsunfähigen Verschwendung gehört?
    Es versteht sich, daß der »Weiße Hai« um diese späte Stunde geschlossen war, aber einer von den jungen Männern arbeitete dort als Bademeister und verfügte über den Eintrittscode, mit dem man schlüssellos in das Gebäude kam. Eine oft geübte Praxis, die erstaunlicherweise von der Verwaltung noch nicht entdeckt worden war. Nun, solange niemand ertrank …
    Die ganze Gruppe, an die zwanzig Leute, unter ihnen Ivo, dem es nicht gelungen war, sich loszureißen, trat durch die zur Seite gleitenden hohen Scheiben in den Eingangsbereich, der aussah wie der enorme Empfangsraum eines Schönheitschirurgen. Glatte Wände, die eine glatte Haut suggerieren sollten.
    Die Eindringlinge waren nun frech genug, auch in der talseitigen Schwimmhalle die Innenbeleuchtung in Betrieb zu setzen, so daß eine vorbeifahrende Polizeistreife dies hätte bemerken müssen. Aber zum Spaß gehörte das Risiko, erwischt zu werden. Niemand hier träumte vom perfekten Verbrechen, vom Unerkanntbleiben der Handlungen und Taten. Alles, was man unternahm, sollte ein sichtbares Zeichen sein, und selbst noch das Unsichtbare wurde so aufgestellt, daß es tunlichst einen Schatten warf. Wenigstens der Schatten sollte gesehen werden.
    Schatten gab es hier genug, im grellen Licht der Spots. Das Wasser war ein schöner blauer Glastisch.
    Â»Ausziehen!« sagte einer der Jungs im Ton einer Fanfare.
    Ivo dachte bereits, man wolle ihn zwingen, sich vor aller Augen zu entblößen. Doch vielmehr war gemeint, daß jeder aus seiner Wäsche schlüpfen sollte, Mädchen wie Jungs und Ivo natürlich ebenso.
    Dann sprangen alle ins Wasser. Ivo erhielt einen Stoß und landete – als einziger noch angezogen – im Naß. Wie gesagt, er war ein guter Schwimmer, gleichfalls ein guter Taucher, und nutzte darum die Möglichkeit, unter den anderen wegzugleiten, um auf der anderen Seite hochzukommen und aus dem Becken zu klettern. Aber auch dort stand jemand, allerdings keiner von den »Leibwächtern«, sondern zwei Mädchen, splitternackt, die sich Ivo mit vorgestreckten Brüsten in den Weg stellten. Im Grunde hätte er spielend an den beiden vorbeigekonnt, ohne sie umblasen zu müssen. Aber er war wie erstarrt, gebannt ob der Vulgarität ihrer jungen und doch eine ältliche, fast greise Obszönität feilbietenden Leiber. So schlank sie noch waren, wirkten sie bereits fett. Fett und verbraucht.
    Â»Magst an meinen Titten lutschen?« fragte die eine, in deren Augen ein kleiner Wahnsinn zirkulierte, den sie einer Medikation verdankte, die sie sich als Apothekengehilfin selbst verschrieben hatte.
    Â»Ausziehen!« befahl die andere.
    Â»Ihr könnt mich mal, Ihr Landhuren!« antwortete Ivo. Er war jetzt wirklich wütend. Diese Weiber widerten ihn an.
    Â»Huren! Huren!« wiederholten die beiden und lachten hysterisch. Dann fragte die Apothekerin, sich ganz ernst gebend: »Bist du so einer mit einem Hurensyndrom? Der überall nur Nutten sieht?«
    Sie griff sich ans Geschlecht und sagte …
    Ivo hörte nicht mehr, was sie sagte, weil er sich zurückfallen ließ, dabei eine Drehung vollzog und mit

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