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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Wiesensteig. Und lange sollte es so aussehen, als würde er auch Lilli Steinbeck nicht wieder begegnen. Aber das Schicksal bewies, daß es den oft zitierten Satz, wo ein Scheißwille ist, da ist auch ein Scheißweg, auf seine eigene, etwas umständliche, aber nicht unelegante Weise umzusetzen imstande war.
    Manches braucht Zeit. Aber wer, bitteschön, sollte Zeit haben, wenn nicht die Zeit?

II
Gegenwart
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    demokratie
    Â 
    unsere ansichten
gehen als freunde auseinander
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    (in den Stuttgarter Stadtbahnen
ausgehängtes Gedicht von Ernst Jandl)
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    Ein Freund ist nur ein Feind,
der noch nicht angegriffen hat.
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    (aus dem Zeichentrickfilm
Die Pinguine aus Madagascar )
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    Â 
    Â 
    Manchmal glaube ich,
daß das Telephon aus der Vogelperspektive
erfunden wurde.
    Â 
    (Edmund Mach, »Das Telephon« aus
Buchstaben Florenz )

5
    Können Geister telephonieren?
    Nun, ein Spötter würde jetzt vielleicht fragen, ob man sich angesichts von telephonierenden Geistern nicht auch Auto fahrende Geister vorstellen muß. Aber Telephonieren ist etwas anderes. Geister sind aus nachvollziehbaren Gründen am Autofahren gar nicht, an der Kommunikation aber sehr wohl interessiert. Und sosehr man vielleicht den weitverbreiteten Mißbrauch des mobilen wie stationären Telephonierens beklagen mag, ein gutes Mittel im Austausch von Meinungen und Erlebnissen, ja selbst noch im gegenseitigen Anschweigen ist es allemal. Und gerade darum, weil die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits eine relativ strenge ist und sich die Verbindung zwischen den Welten nicht selten im lächerlichen Schabernack der Geisterbeschwörung erschöpft – welche Seite auch immer diesen Schabernack verschuldet –, darum also ist der Einsatz des Telephons im Bereich zwischenweltlicher Kontaktaufnahme ein vernünftiger zu nennen.
    Wie so oft kommt es dabei auf die Zahlen an. Denn auch im Gespräch mit Geistern braucht es ja eine Nummer, die man wählt, die richtige Nummer. Es nützt also kaum, einfach den Hörer abzuheben, das Handy ans Ohr zu halten oder simplerweise eine beliebige Ziffernfolge einzugeben. Man käme ja ebensowenig auf die Idee, durch bloßes Öffnen eines Kühlschranks dessen Anfüllung zu bewerkstelligen oder mittels blinden und gedankenlosen Hineinhämmerns in eine Tastatur ein Theaterstück zu schreiben (Mails schon, aber das ist etwas anderes). Nein, die richtige Nummer ist auch im Umgang mit Geistern unerläßlich. So ist die Welt nun mal beschaffen. Alle Welt. Der Hokuspokus, der von einigen hüben wie drüben praktiziert wird, dient nur der Unterhaltung und wie alle Unterhaltung der Geldbeschaffung. Wer sich hingegen wirklich mit der anderen Seite austauschen will oder muß, der …
    Richtig, Geister stehen nicht im Telephonbuch.
    Oder doch? Hat sich schon einmal jemand die Mühe gemacht, sämtliche Namen und Adressen und Telephonnummern eines einzelnen Bandes einer einzelnen Stadt zu überprüfen? Ob all diese Personen tatsächlich existieren? Es wäre zumindest nicht ganz dumm, wenn der eine oder andere Geist, der eine oder andere Tote sich auf diese Weise in unsere Welt schmuggeln würde.
    Wenn das so ist, wenn wirklich ein echtes Telephoninteresse der Geister besteht, so werden jetzt einige Leute die Frage stellen: »Wieso in Herrgottsnamen hat mich dann noch nie ein Geist angerufen?«
    Nun, warum sollte er? Ohne echten Anlaß. Ohne die Chance auf ein interessantes Gespräch. Vor allem ohne die Chance, ernst genommen zu werden. Denn selbstredend würden die meisten den Anruf eines Geistes für einen dummen Scherz halten.
    Das Problem der ernsthaften Geister ist dasselbe, mit dem sie wahrscheinlich schon zu Lebzeiten zu kämpfen hatten: ihre Normalität, ihre Unauffälligkeit. Der unauffällige Geist wird übersehen und überhört. Im besten Falle belächelt.
    Es muß somit einen ziemlich triftigen Grund dafür geben, wenn einer von ihnen zum Hörer greift und eine Nummer wählt, die zu unserer Sphäre gehört. Einen sehr triftigen Grund.
    Â 
    *
    Â 
    Auf einem Flecken dieser Erde, an dem es ganz sicher keine Telephonleitungen und Funkmasten gab und man schon ziemlich gut ausgerüstet sein mußte, um einen fernmündlichen Kontakt herzustellen, stand ein Mann auf einer der zahlreichen Erhebungen, die diese auf eine karge, wilde Weise wunderschöne

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