Die Haischwimmerin
Regeln der Verbrecherrepublik verstoÃen hatte.
Worüber Lopuchin sich sehr wohl auslieÃ, war der Umstand, daà er in Toadâs Bread etwas zurückgelassen hatte, etwas, das ihm gehörte und das er um jeden Preis zurückhaben wollte. Doch auch bezüglich dieses Objekts blieb Lopuchin vage, beschrieb nicht, worum es sich eigentlich handelte. Sondern allein, daà dieser Gegenstand in einer kleinen, mit Teilen von Borke verzierten hölzernen Schatulle eingelagert sei.
Ivo nickte in der achselzuckenden Weise. Er begriff nicht, wieso ihm Lopuchin das erzählte. Er sagte: »Bei allem Respekt, ich werde den Baum suchen, nicht irgendeinen Schatz.«
Doch Lopuchin antwortete: »Wenn Sie den Baum finden, dann auch den Schatz. Ich will, daà Sie mir dieses Kästchen bringen. Den Baum können Sie behalten. Aber ohne Kästchen kein Baum.«
»So war das nicht ausgemacht«, beschwerte sich Ivo. »Dafür hat NOH nicht bezahlt.«
Das war jetzt wieder so ein Moment, da Spirou eine sofortige Ãbersetzung unterlieà und äuÃerte, wie schlecht es wäre, auf diese Weise zu antworten. Eher wäre es angebracht, guten Willen zu beweisen.
»Verdammt noch mal, Spirou«, ärgerte sich Ivo, »geh doch in die Diplomatie!«
»Ich bin in der Diplomatie«, antwortete der rotgemützte Junge mit der feinen Kinderstimme, die fern jedem Stimmbruch schien: rein, hell, vertrauenswürdig.
Ivo gab sich geschlagen. Er versprach, daà falls irgendein verrückter Zufall ihn in die Nähe dieses Behältnisses führen sollte, er versuchen würde, es zu erstehen und Lopuchin zurückzubringen.
Was auch immer Spirou nun übersetzte, es war mit Sicherheit sehr viel weniger kleinmütig, denn derartige Kästchen waren wohl kaum in der Welt, um »erstanden« zu werden. AuÃerdem hatte sich Lopuchin ja als der Besitzer des Schatulleninhalts bezeichnet. Wobei die Leute in Toadâs Bread, die gerne auf Lopuchins Entschuldigung verzichteten, das vermutlich anders sahen. Wie auch immer, ein simples Geschäft, wo einer kaufte und einer verkaufte, würde es nie und nimmer werden.
Lopuchin rief mit der Bewegung seiner stark beschlagringten Finger Spirou zu sich und drückte ihm zwei Papiere in die Hand, ein offenes und ein gefaltetes. Spirou gab beide an Ivo weiter und sagte: »Die Adresse. Und dazu eine Zeichnung von dem Kästchen.«
»Die Adresse vom Baum oder vom Loch?«
»Von dem Ort, wo das Kästchen steckt.«
Nun, es handelte sich nicht um eine Adresse im Sinne eines StraÃennamens und einer Hausnummer. Vielmehr erwies sich das gröÃere Papier als eine Art von Karte. Zu sehen war eine kreisförmige Anordnung, wobei das Zentrum von einer disziplinierten vierarmigen Spirale beherrscht wurde, die aber in ihren Ausläufern in eine asymmetrische, siebenspurige Version überging. Innerhalb der mit Bleistiftschraffur aufgezeichneten wolkenhaften Strukturen zogen sich eine Vielzahl enggesetzter Punkte dahin. Ivo muÃte unwillkürlich an eine Galaxie denken, eine Scheibe aus Sternen.
Nahe dem Zentrum war nun einer der Punkte mit einem Kreuz markiert worden. Der sehr viel kräftigere Strich suggerierte, an dieser Stelle sei etwas zu finden. â Aber an der Stelle wovon, bitteschön? Doch darauf gab es keine Antwort. Spirou wuÃte es nicht, und Lopuchin sagte es nicht.
Einfacher war es mit der Schatulle, die recht deutlich auf dem kleineren Papier abgebildet war: ein Quader, dessen Oberseite vollständig mit Tusche ausgemalt war. Die Zeichnung wirkte abstrakt, beliebig, wie hingespuckt, wie bei einem umgefallenen Glas Rotwein, wobei man am ehesten ein schmetterlingshaftes, flugpionierartiges Wesen aus der Zeichnung herauslesen konnte. Denn in der Tat war nichts in dieser Gegend wirklich abstrakt. Alles hatte etwas zu bedeuten. Alles verwies auf eine konkrete Sache, ein konkretes Ding.
Ivo tippte auf den Zettel und schenkte sodann seinem Führer Spirou einen Blick, der weniger aus den Augen als aus den Stirnfalten zu stammen schien. »Sag, Spirou, hast du eine Ahnung, wie man nach Toadâs Bread findet?«
»Ich war noch nie dort«, antwortete Spirou und erwähnte den Namen, den die Bewohner der Bergregion für das Loch und die Stadt im Loch verwendeten: dâaÅgujÅa . Eine Verbform aus der nganasanischen Sprache, die man mit »nicht sein« oder »nicht existieren«
Weitere Kostenlose Bücher