Die Haischwimmerin
sitzen, um den Eindruck gewinnen zu können, aus dem Telephon, welches Oborin sich ans Ohr hielt, sei eine Stimme gedrungen.
Nun gut, sagte sich Ivo Berg, schon möglich, daà unter all diesen Fernsprechapparaten, deren Kabel in die Wand und den Boden und die Zwiebeln führten, auch eines dabei war, welches ordnungsgemäà an das Ochotsker Telephonnetz angeschlossen war und somit die Stimme aus dem Telephon einem gewöhnlichen, lebendigen Benutzer gehörte.
Es war dann Spirou, der erklärte, Oborin verwende zum »normalen« Telephonieren ausschlieÃlich ein Handy, aber sicher keins von den mit Fingerlochscheiben ausgestatteten Geräten.
»Wirklich?!« sagte Ivo. Was auch sonst sollte er sagen?
Â
Der Winter zog sich bis zu dem Punkt, da er, der Winter, nicht mehr konnte. Als er einmal durchatmete, nutzte der Sommer seine Chance. So wie diese Heizdeckenverkäufer, die rasch ihren Fuà in die Tür stellen. Ein Schub von Wärme zog entlang der Küste und bildete zusammen mit dem Rest von Kälte ein kariertes Muster aus grünen und weiÃen Quadraten, wobei die grünen ständig wuchsen und folgerichtig die weiÃen schrumpfen lieÃen. Es taute. Aber es dauerte dann doch noch eine ganze Weile, bis die Verhältnisse so waren, daà an Aufbruch gedacht werden konnte. Endlich war es soweit. Ivo und Spirou packten zusammen, was sie auf ihrer Expedition benötigen würden. Auch Galina verstaute ihre Gerätschaft. Offensichtlich war sie entschlossen, in der Wildnis des Dschugdschur ihre Suppenkünste in der gewohnten Qualität fortzusetzen.
11
Die StraÃe war zu Ende, wobei man nicht wirklich von einer StraÃe sprechen konnte, eher von einer Schürfwunde in der Landschaft. Jedenfalls hielt Ivo den Jeep auf diesen letzten befahrbaren Metern an. Die drei Personen stiegen aus, schnallten sich ihr Gepäck um und gingen daran, nach oben zu steigen. Nicht sehr steil, ein von Gräsern und Bäumen überzogener Hügel, hinter dem eine Kette von Bergen bläulich aufragte, beschienen von einer späten Sonne, die ihr Licht zwischen Wolkeninseln hindurch auf das Land warf.
Auch wenn das der Beginn eines obligatorisch kurzen, heiÃen Sommers war, empfand Ivo den Anblick herbstlich, als laufe hier die Zeit und eben auch die Jahreszeit rückwärts. Oben auf der Kuppe, dort, wo ein schmaler Bach zwischen einer Gruppe locker aufgereihter Lärchen verschwand, stand ein einfaches Blockhaus. Es hatte jenem im Zuge einer unglücklichen Geschäftsvereinbarung zu Tode gekommenen Mann gehört, der den ominösen Zapfen entdeckt hatte. Allerdings war völlig unklar, ob er in der Nähe dieses Hauses auf die spezielle Varietät einer Dahurischen Lärche gestoÃen war. Nun, wenigstens war es das Haus, das Ivo aus den Unterlagen kannte, die man ihm in Warschau ausgehändigt hatte. So gesehen muÃte er sich am richtigen Ort befinden.
Die Türe zur Hütte war unversperrt. Um so mehr überraschte dann der Umstand, daà der Raum nicht leer war, sondern offenkundig aktuell genutzt wurde. Diverse Ausrüstungsgegenstände standen herum, die Matratzen der drei Stockbetten waren mit Schlafsäcken bedeckt, auf dem Tisch lagerte Kochgeschirr. In der Luft hing ein Geruch, wie ihn sehr alte Bierdeckel verströmen. Ein ganzer Stapel davon. Die Ãberreste ausgedrückter Zigarren steckten in einem mit Sand gefüllten Aschenbecher. Die Qualität vieler Gegenstände verriet, daà es sich um eine touristische Gruppe handeln muÃte.
»Und was hat das zu bedeuten?« fragte Ivo und drehte sich zu Spirou um.
»Jagd auf Schneeschafe«, antwortete der Junge und erklärte, im Gebiet der gegenüberliegenden Bergkette lebe eine Population von Wildschafen. Beliebte Jagdobjekte für Leute, die es exklusiv mochten und darum das konventionelle Safariwesen mieden, vielmehr schätzten, in einem quasi rechtsfreien Raum ihrem Vergnügen nachzugehen. Denn obgleich man einen Teil des Dschugdschur unter Naturschutz gestellt hatte, war die Gegend insgesamt nicht gerade eine von Jagdaufsehern überlaufene. Vielmehr konnte man hier tun und lassen und zulassen, was man wollte. Das Schneeschaf war auch nicht etwa als gefährdet gelistet, was aber vor allem der geringen Kenntnis der Bestände zu verdanken war.
Spirou berichtete, ein Magadaner Veranstalter von Jagdreisen lasse kleine Gruppen von Interessierten mit dem
Weitere Kostenlose Bücher