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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Helikopter in diese Gegend transportieren, um die dunkelköpfigen, aber mit weißen Nasen und weißen Hintern ausgestatteten Kletterkünstler zur Strecke zu bringen. Er selbst sei noch nie einem dieser Jäger begegnet, die würden sich in Ochotsk nicht sehen lassen. Spirou erinnerte: »Wir sind hier draußen nicht mehr in Lopuchin-Land.«
    Ivo griff sich reflexartig an die linke Wange, befühlte die fünf kleinen Narben und wollte wissen, wie es jetzt weitergehe.
    Spirou empfahl, sich einen Platz zum Zelten zu suchen. Er halte es für besser, der Jagdgesellschaft auszuweichen.
    Ivo nickte. Er war ganz dieser Meinung. Er war noch nie ein Freund waidmännischer Praktiken gewesen. Es gab wenig, was ihn mehr anekelte als das Verlangen, ein Wild zu erlegen. Wie konnte das ein Vergnügen sein? Den eigenen Tod verdrängend, einen fremden Tod zu erzwingen. – Seine, Ivos, Mutter war passionierte Jägerin gewesen, während der Vater dieses »Hobby« allein wegen der geringen Zweckmäßigkeit abgelehnt hatte. Die Mutter hingegen hatte immer wieder ihre Wochenenden damit verbracht, an Jagdgesellschaften teilzunehmen, zuerst im Steirischen, später dann in Italien auf Einladung diverser Geschäftspartner.
    Wenn der jugendliche Ivo seiner Mutter in einem ihrer Jagdkostüme begegnet war und dabei ihre Vorfreude aufs Schießen erkannt hatte, auf die hinterlistigen Manöver, das In-die-Enge-Treiben der Kreatur, wenn er diesen gewissen Blick bemerkt hatte – als schaue eine aufgeklappte Schere in die Welt –, dann hatte er sich gefragt, ob dies allen Ernstes die Frau war, in deren Bauch er gelegen hatte, sich von ihr ernährend, ihren Lebenssaft aufnehmend und damit wohl auch ein wenig ihres Geistes. Nein, er konnte sich das nicht wirklich vorstellen. Was übrigens auch umgekehrt galt. Die Nichtsnutzigkeit des Sohns befremdete die Mutter. Sie empfand dieses Kind wie eine Krankheit, eine unheilbare und lebenslängliche. Natürlich pflegte sie es nicht auf diese Weise auszudrücken. Vielmehr verschwieg sie, wo immer es ging, überhaupt einen Sohn zu haben. Wobei sie im Rahmen der Jagdgesellschaften auch gerne die Existenz ihres Mannes unter den Tisch fallen ließ. Die Aristokraten, mit denen sie dort verkehrte, waren sehr viel mehr nach ihrem Geschmack. Alles dort war mehr nach ihrem Geschmack: als lebe man in einem Gemälde. Auch als dann später der Sohn doch noch eine Karriere begann und zum erfolgreichen Baumpfleger wurde, hatte dies in keiner Weise dazu geführt, daß Mutter und Sohn sich einander annäherten. Wobei es kein Haß war, der sie trennte, sondern allein das Unverständnis für ein fremdes, abstruses Leben und eben die Frage, wie man in diesen Bauch beziehungsweise zu diesem Kind hatte kommen können.
    Richtig, Ivo hatte lange Zeit vom Geld dieser Frau gelebt. Aber er pflegte gerne zu sagen, er hätte sehr viel lieber vom Geld einer anderen Frau gelebt. Einer besseren Frau mit besserem Geld.
    Natürlich hatte es Ivo im Zuge seiner baumpflegerischen Tätigkeit auch mit schießenden Förstern zu tun bekommen, also Leuten, denen nachgesagt wird, nicht allein aus dumpfer Freude am Töten zu jagen. Sondern eben die Natur und das Wild zu achten, das göttliche Licht in jedem jagdbaren Tier zu sehen und nur zu schießen, um einen vernünftigen Bestand zu sichern. Doch auch bei diesen Leuten hatte Ivo stets den gleichen scherenhaft glitzernden Blick seiner Mutter feststellen müssen. Er war überzeugt, daß jeder Jäger ein Killer war. Man könnte sagen, ein von den Umständen bürgerlicher Aufklärung gezähmter Killer, der gezwungen war, anstatt auf kleine Kinder auf kleine Hasen, anstatt auf unliebsame Kontrahenten auf mächtige Zwölfender zu zielen.
    Â 
    Ivo verspürte also wenig Lust, in solch entlegener Gegend auf Personen zu treffen, die ihn an seine liebe Mutter erinnerten und darüber hinaus wohl kaum an diesen Ort gereist waren, um eine tierfreundliche Försterei zu betreiben oder Schafe zu zählen, sondern um einen schießwütigen Einbruch in die Welt der Wiederkäuer vorzunehmen.
    Aber zu spät! Weil nämlich das Unglück seinerseits eher zu den Pünktlichen gehört.
    Als Ivo und Spirou nach draußen traten, wo noch immer Galina stand, näherte sich eine Gruppe von Männern. Sechs an der Zahl. Sie benahmen sich ausgelassen, große Buben,

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