Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
wirkten wie das Klischee, das sie waren: allein ihre Art, einen Fuß vor den anderen zu setzen, dieses konstante Bemühen, sich die Welt untertan zu machen, die Welt zu markieren. Wie man seine Blase nur darum portionsweise entleert, um an jeder Stelle, an jeder belebten oder unbelebten Ecke der Erde sein Zeichen zu hinterlassen.
    Das Problem der Gesellschaft ist sicher, daß immer die falschen Leute sich in Therapie begeben. Denn allein die Einsicht in die Therapienotwendigkeit würde ja bereits genügen. Aber selbige Einsicht ist eine verirrte Kugel.
    Diese Männer, die jetzt näher kamen, würden in tausend Jahren keine Therapie machen. Eher würden sie die Schafe zum Arzt schicken. Freilich konnte kein Arzt der Welt jenen vier Exemplaren noch helfen, deren abgetrennte Schädel von einem waagrecht geschulterten Stab hingen. Die hellen Hörner erstrahlten vor dem Hintergrund blutroten Fells und zu Murmeln erstarrter Augen.
    Einer der Jäger, offenkundig der Führer, rief etwas auf russisch. Er klang wütend. Spirou ging auf ihn zu und erklärte die Situation. Man habe nicht wissen können, daß die Hütte belegt sei. Und immerhin sei er, Spirou, mit dem verstorbenen Ochotsker Besitzer dieser Hütte bekannt gewesen.
    Wie sich nun aber herausstellte, war im Zuge genau jener Geschäftstätigkeit, die den Ochotsker das Leben gekostet hatte, auch die Hütte in neuen Besitz übergegangen. Eben in den des Veranstalters für Jagdreisen.
    Spirou übersetzte.
    Â»Kein Problem«, versicherte Ivo, »wir wollten ja ohnehin woandershin.«
    Â»Aber nicht doch, lieber Freund«, beeilte sich einer der Jäger zu betonen. Er sagte: »Seien Sie unsere Gäste.«
    Wie sich nun herausstellte, setzte sich die Jagdgesellschaft neben dem einheimischen Führer und einem weiteren Helfer aus vier Jagdtouristen zusammen, von denen einer aus Amerika, einer aus Australien und zwei aus Deutschland stammten – ein Mann aus Karlsruhe und einer aus Baden-Baden. Letzterer war es, der die freundliche Einladung ausgesprochen hatte. Er sagte, es wäre eine schöne Gelegenheit, gemeinsam auf das heutige Jagdglück anzustoßen.
    Während die anderen Männer mit ihren Militärhosen, den lässig geschulterten Gewehren und den breiten, von der Sonne und vom Schnaps geröteten Gesichtern im Schatten ihrer Baseballkappen auf eine privatmilitärische Weise bedrohlich wirkten, präsentierte der Baden-Badener eine kultivierte, noble Art, obgleich auch er eine Hose im Camouflagemuster trug; wohl um die Schafe auf diese Weise hinters Licht zu führen. Wie auch immer, es war sofort klar, daß er es war, der in dieser Runde das Sagen hatte, nicht zuletzt gegenüber dem einheimischen Führer, der bei allem, was zu tun oder zu unterlassen war, sich zuvor mittels Blickkontakt den Segen des Baden-Badeners einholte.
    Der andere Russe brachte nun eine Flasche Wodka und kleine Gläser, die er auf einen Holzpflock stellte und einschenkte. Dabei lugte er vorsichtig zu Ivo hin, dessen linke Wange betrachtend. Natürlich wußte er, was dieses pentagrammische Mal zu bedeuten hatte und wie sehr es hier draußen, außerhalb von Lopuchins Einflußbereich, eine Auszeichnung darstellte. Etwas, von dem die Jagdtouristen freilich nichts ahnen konnten.
    Jeder nahm jetzt ein Glas, außer Spirou und Galina. Was die Männer, die sich in Englisch miteinander unterhielten, zu ein paar abfälligen Bemerkungen animierte. Der Amerikaner sprach Galina auf russisch an und lachte in einer Weise, als sei dieses Lachen lange Zeit in einem stark verdreckten Zahnputzbecher eingesperrt gewesen. Ein bakteriologisches Lachen.
    Â»Frau Oborin ist taubstumm«, erklärte Ivo.
    Â»Ach ja«, meinte der Karlsruher. »Aber doch wohl kaum so schwach, um nicht ein Glas heben zu können.«
    Â»Was ich sagen wollte«, erklärte Ivo, »ist, daß sie nicht imstande ist, eine Einladung auszuschlagen. Sie kann nicht sagen, daß sie keinen Alkohol mag.«
    Â»Eine Russin, die nicht säuft, wer soll das glauben?«
    Der Baden-Badener griff dem Karlsruher auf die Schulter, ein wenig wie das Vulkanier tun, um ihre Gegner zu lähmen. In der Tat war sofort Ruhe. Man genehmigte sich eine weitere Runde bis an den Rand gefüllter Wodkagläser und hielt sie wie um einen unsichtbaren Totempfahl herum. Dann trank man ex.
    Erneut wurde nachgeschenkt. Auch wenn nun

Weitere Kostenlose Bücher