Die Haischwimmerin
eine von den offiziellen Zuhälterinnen in dieser Stadt tätig gewesen sei. Aber Handys funktionierten nicht in Toadâs Bread. Statt dessen gab es ein altes Netz von Leitungen, deren Benutzung ⦠nun, die einen meinten, dies hänge von der Laune der Götter ab, andere vertraten die Ansicht, es bestehe ein fester, jedoch schwer zu durchschauender Zyklus, dem gemäà Teile des Netzes in Betrieb waren oder aber sich in einem zeitweiligen Ruhemodus befanden. Eine verschworene Gruppe von Mathematikern arbeitete an einer Berechnung dieses Zyklus, der nun freilich gleichfalls im Verdacht stand, göttlichen Ursprungs zu sein. Daneben kamen auch Funkgeräte zum Einsatz, wozu es wiederum nötig war, eine ideale Stelle in dieser von Funklöchern perforierten Stadt aufzusuchen. Zudem fehlte ein Anschluà an das Internet, doch immerhin existierte ein eigenes Computernetz, Breadnet: eine elektronische Kommunikationsstelle sowie eine Zugriffsmöglichkeit auf das Wissen der Welt, allerdings ein zensiertes Wissen. Was den Vorteil einer gewissen Ãbersicht besaÃ. Nicht zuletzt verfügte Breadnet über Informationsbereiche, die sehr viel ausführlicher behandelt wurden als im bekannten Netz. So wurde ja nirgends im World Wide Web eine vierzigtausend Einwohner groÃe Stadt namens Toadâs Bread erwähnt. So lückenhaft kann die allgemeine Bildung nämlich sein.
Kein Handy also. Und auch kein Fernsprechgerät, da nur wenige Haushalte über solche verfügten. Zum Telephonieren ging man ins Restaurant.
Statt jemand anzurufen, stellten Lilli und Yamamoto den kleinen Raum in fürsorglicher Weise auf den Kopf und dann wieder zurück auf die Beine. Zwei Dinge waren es schluÃendlich, die das Interesse der Ermittler weckten: eine Puppe und ein Name.
Puppen sind immer gut, weil man in ihnen Verborgenes erwartet. Das ist schon ein Topos. Yamamoto hatte die aus vielen kleinen Fellteilen zusammengesetzte weiche Figur, die keinerlei Geschlecht aufwies und ohne Gesicht war, zwischen zwei Polstern hervorgezogen. Eingedenk des Topos hatte er nach einer Schere gegriffen und den Rumpf der Puppe aufgeschnitten, praktisch dieselbe Stelle wählend, an der auch die Besitzerin dieser Puppe zum Zwecke der Obduktion geöffnet worden war.
Er griff in den Leib der Puppe.
Nun, weder das übliche Päckchen Heroin noch der übliche Mikrochip waren zu entdecken, ebensowenig eine revolutionäre Sprengzündung. Statt dessen kramte er aus der wollenen Füllung ein kleines, gläsernes Fläschchen hervor, darin eine klare Flüssigkeit. Yamamoto öffnete das Behältnis, roch daran und bewies in der Folge sein unverkrampftes Verhältnis zur Gefahr des Sterbens, indem er ein wenig des Inhalts in seine Innenhand tröpfeln lieà und dann mit der Zunge darüberfuhr. Nun gut, der sechste Sinn eines geborenen Toadâs Breader relativierte die Gefahr. Yamamoto zuckte mit der Schulter und meinte: »Was sollen wir davon halten? Scheint pures Wasser zu sein.«
»Das wirkt jetzt ein biÃchen voodoomäÃig, oder?« kommentierte Lilli.
»Ongghot«, sagte Yamamoto.
»Warum denn âºOh Gottâ¹?«
»Nein, Ongghot. Eine schamanische Fellpuppe. Manche Leute meinen, mit solchen Puppen könnte man die Geister anrufen.«
»Wäre nicht schlecht, wir könnten damit Valerija anrufen.«
»Ja, das wäre praktisch«, meinte Yamamoto und fügte die Puppe in einen Plastikbeutel. Dann fragte er Lilli: »Können Sie das einstecken?«
»Ich weià nicht â¦Â«
»Sie haben eine Tasche«, stellte er fest.
»Sie sollten sich auch eine besorgen, wenn Sie weiter daran denken, Beweisstücke einzusammeln«, empfahl Lilli, nahm aber die Puppe und brachte sie zwischen Pistole und Schminksachen unter. Wohl war ihr nicht dabei. Die Puppe einer Ertränkten in der eigenen Tasche mitzuführen ⦠nun, sie glaubte nicht an Geister. Aber an Monster glaubte sie schon, ihr waren in ihrem Leben schon einige begegnet.
Bei dem anderen Hinweis, der sich nun in diesem Raum ergab, handelte es sich um eine kleine schriftliche Notiz, die Lilli auf einem der Modemagazine entdeckt hatte, mit Tinte an den Rand des Titelblatts geschrieben: Su lyesi, 8Â p.m.
»Su lyesi? Was heiÃt das?« fragte Lilli und hielt Yamamoto das Magazin vors Gesicht.
»Ich weià nicht, was es heiÃt. Aber ich weiÃ, daà das der Name
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