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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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einer Fliegenpilzkneipe im grünen Distrikt ist.«
    Toad’s Bread war in sieben Bezirke unterteilt, gemäß den Spektralfarben Newtons. Wobei man wirklich nicht sagen konnte, der grüne Distrikt wäre sonderlich grün gewesen, aber die farbliche Parzellierung bedeutete immerhin eine Orientierungshilfe, war man nicht farbenblind und konnte die kleinen ovalen Farbschilder ausmachen, die an Straßenecken und einigen Häusern angebracht waren und deren jeweilige Tönung anzeigte, wie tief man sich in einem Distrikt befand – oder eher in Nachbarschaft zu einem anderen.
    Eine Fliegenpilzkneipe also. Das mußte natürlich nichts bedeuten, war aber immerhin eine Spur, der man folgen konnte. Also machten sich die beiden Ermittler auf den Weg, wobei Lilli dem Jungen, der die Übersetzung besorgt hatte, ein paar Geldscheine in die Hand drückte, Euro, denn Rubel waren an diesem Ort nichts wert.
    Â»Sie sollten die Einheimischen nicht füttern«, warnte Yamamoto, als man draußen auf einer Straße von zwei Metern Breite stand.
    Â»Ach, ich füttere gerne.«
    Â»Auch wenn sich der Gefütterte dabei den Magen verdirbt?«
    Â»Solange ich nicht in die Hand gebissen werde, ist mir alles recht«, behauptete Lilli, holte ihren Lippenstift, ihr Rouge und ihren Spiegel aus der Tasche und renovierte das Bild ihres Gesichts.
    Â 
    Die Kneipe mit dem Namen Su lyesi lag im Zentrum des grünen Bereichs, dort, wo ein kreisrunder Platz von zehn Metern Durchmesser geradezu verschwenderisch weit anmutete. Der Platz war stark belebt mit Menschen, die sich unterhielten, ohne daß sie sichtbar Handel trieben. Auch die auffällig gekleideten Frauen – deren Vulgarität wie ein Zitat wirkte, eine Anspielung – schienen weniger auf der Suche nach Kundschaft als nach einem Gespräch. Möglicherweise aber diente diese »Gesprächsrunde« nur diversen Geschäftsanbahnungen. Um den Platz herum drängte sich dicht ein Lokal an das andere, unterbrochen von sternförmig wegführenden schmalen Gehwegen, erneut die Zahl sieben bedienend.
    Ãœber einem der Lokale prangte ein Schild, auf dem man die Silhouette einer Frau sah, die in ein gewelltes Piktogramm gefügt war. Eine Badende, schien es.
    Â»Das ist es. Das Su lyesi «, sagte Yamamoto und trat durch die rotlackierte hölzerne Türe. Entlang einer Theke lehnten Männer auf hohen Hockern, vor sich Suppenschalen, Stäbchen und kleine Gläser mit klaren Flüssigkeiten. Nur ganz hinten in diesem schlauchförmigen Raum war ein Tisch, an dem eine Gruppe Frauen saß. Sie spitzten augenblicklich ihre Augen, als sie Lilli sahen. Das war immerhin ihr Revier. Aber Yamamoto machte rasch klar, wer er war und wer Lilli war und daß man hier sei, um sich nach einer Frau namens Valerija zu erkundigen. Dabei hielt er ein Photo in die Höhe, das die Tote zeigte, als sie noch lebendig gewesen war. Ein hübsches Gesicht. Ein wenig so, als hätte Ingres ein gelbbraunes Ei bemalt.
    Â»Und was soll mit der sein?« fragte der Wirt.
    Â»Wenn ich ein Vergnügen an Gegenfragen hätte, würde ich das vorher sagen. Also?«
    Â»Valerija? Nie gehört«, äußerte der Wirt, ein kleiner, schwitzender Mann, ein Männlein-steht-im-Walde-Typ. Er grinste.
    Sein Grinsen war nicht von Dauer. Mit einer illusionistisch anmutenden Geschwindigkeit zog Yamamoto ein Messer hervor und donnerte es in das Thekenholz. Und zwar genau zwischen Zeige- und Mittelfinger jener Hand, mit der sich der Wirt am eigenen Tresen aufgestützt hatte. Die Suppenschalen und Gläser hüpften leicht auf. Der Wirt sah hinunter auf seine gerade noch unversehrten Finger und meinte: »Das können Sie doch nicht machen.«
    Â»Sehen Sie denn nicht, daß ich es kann?«
    Â»Aber wieso nicht einfach reden?«
    Â»Kann man ja«, sagte Yamamoto und sagte auch: »Ich frage noch mal nach der Frau: Valerija.«
    Â»Was wollen Sie hören? Sie ist eine Nutte.«
    Â»Nein, das will ich nicht hören, weil es nicht stimmt«, betonte Yamamoto, der offensichtlich seine Anschauung von zuvor geändert hatte oder es auch nur auf einen Versuch ankommen ließ. Er ergänzte: »Außerdem: Sie ist nicht. Sie war . Sie wurde ermordet. Ertränkt.«
    Â»Vielleicht ein hilfloser Freier«, blieb der Wirt auf seiner Linie.
    Yamamoto griff nach dem Messer, zog es aus dem Holz, deutete aber an, durchaus

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