Die Haischwimmerin
noch zu einem weiteren kleinen Messerkunststück bereit zu sein.
»Schon okay«, beteuerte der Wirt und hob seine Arme, wie um sich zu ergeben. »Kein Wort mehr über Nutten. Es stimmt, sie war manchmal hier, aber nicht um anzuschaffen. Sie war eine von den Klugen, wollte weg aus der Stadt. Hat sich manchmal mit einem Kerl getroffen.«
»Was für ein Kerl?«
»Ein Ungar.«
»Ungarn sind selten in dieser Stadt.«
»Ich stamme aus Prag«, sagte der Wirt, »ich weiÃ, wie ein ungarischer Akzent klingt.«
»Hatte der Ungar einen Namen?« fragte Yamamoto und fügte sein Messer wieder in die Scheide, welche in einer Innentasche seines Jacketts verborgen blieb, während die Berettas zu beiden Seiten des Brustkorbs gelagert waren, weshalb es nichts Gutes verhieÃ, wenn Yamamoto einmal seine Hände unter dem Sakko verschränkte. Was hier aber nicht nötig war. Er wuÃte, daà der Wirt nicht log, wenn er jetzt erklärte, den Namen des Ungarn nicht zu kennen.
»Gut, kein Name«, stellte Yamamoto fest, »aber eine Beschreibung kriegen Sie wohl hin. Tschechen sind doch alle Dichter, oder?«
»Ein Gerücht«, meinte der Wirt, lieferte dann aber eine ganz gute Skizzierung. Auch bei dem Ungarn schien es sich um einen eher kleinen Mann zu handeln, ausgesprochen schmal, knochig, graue Haut, graue Augen, volles schwarzes Haar. Vor allem aber ⦠der Wirt sagte: »Er hat eine Narbe an seiner Wange, schlecht verheilt, denke ich, weil sie gar so ungesund ausschaut. Es heiÃt, er hätte sie von einem Typen aus Ochotsk, der sich dort für den King hält.«
»Lopuchin«, sagte Yamamoto.
»Mag sein. Ich kenne niemanden von dort«, erklärte der Wirt.
Für die Leute aus Toadâs Bread war Ochotsk ein unbedeutendes, verfaultes Nest mit unbedeutenden, verfaulten Menschen. Ja, die meisten Breader, gleich ob mächtige Kriminelle oder machtloses FuÃvolk, empfanden sich als etwas Besseres. Auserwählte. Dreckig, aber nicht verfault. Und es war also keineswegs so, wie Lopuchin behauptet hatte, daà absolut jeder im Reich des Dschugdschur und damit auch in Toadâs Bread seinen Namen kannte und über die genaue Bedeutung einer pentagrammischen Markierung Bescheid wuÃte.
Yamamoto allerdings schon. Er fragte, wie um eine mögliche Fälschung auszuschlieÃen: »Linke oder rechte Backe?«
»Oooh ⦠seine rechte. Der, der zugeschlagen hat, war wohl Linkshänder.«
»Gut. â Noch was, das zu wissen mich freuen würde?«
Der Wirt nickte. »Der Sake ist heute im Angebot. Chrysanthemensake.«
»Wie ich euch Brüder kenne, verkauft ihr eher Kuchikami no sake.«
Die Gäste lachten. Der Reiswein, den Yamamoto meinte, wurde traditionellerweise dadurch gewonnen, daà mehrere Leute die Sake-Zutaten eigenmündig durchkauten und dann in einen Trog mit Wasser spuckten, um sie dort gären zu lassen.
Das wollte sich Yamamoto ersparen und sagte: »Gehen wir.«
»Gerne«, meinte Lilli, wandte sich aber gleichzeitig zu dem Wirt hin, schenkte ihm einen freundlichen Blick und fragte, was eigentlich »Su lyesi« bedeute.
Der Mann zuckte mit der Schulter und meinte, so habe das Lokal bereits geheiÃen, als er es übernommen habe. Um den Namen habe er sich nie gekümmert. â Es war dann einer der Gäste, ein weiÃhaariger Alter, der mit der Hälfte seines Gesichtes in einer bauchigen Suppenschale weilte und aus dieser Schale heraus schlürfend, murmelnd die Antwort gab: »Su lyesi ist die Herrin des Wassers.«
»Viel Wasser in dieser Geschichte«, kommentierte Lilli.
Man hätte ihr freilich antworten können: In welcher Geschichte denn nicht? Wenn man genau schaute â nicht nur, was den Anbeginn allen Lebens betraf â, stieà man fast immer auf Wasser. Gott war als Träne in die Welt gekommen.
Lilli legte einen Geldschein auf die Theke und ging. Es machte ihr SpaÃ, zu füttern. Auch wenn Yamamoto die Augen verdrehte.
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Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes betrat der Samurai als Polizist einen Raum in der Art eines Internetcafés, setzte sich an einen der Monitore und nahm nun via Breadnet doch noch Verbindung zu einem seiner Mitarbeiter auf. Es dauerte gar nicht so lange, bis sich herausstellte, um wen es sich bei dem Ungarn handelte. Handeln muÃte. Denn in der Tat lebte ein einziger Magyar
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