Die halbe Sonne
liegen, wo er in einem Zug und nur unterbrochen davon, sich mit Proviant aus der Speisekammer des Hotels zu versehen, Die Dämonen liest. Als er Dostojewskijs Roman endlich zuschlägt, taumelt er durch die Flure, unsicher, ob er tatsächlich ein Nihilist ist.
Der Vater zur Mutter: »Geht er uns immer noch aus dem Weg?«
Und wie er sich üben muss
Der Vater, zu dessen Stärken Geduld niemals gehörte, erkennt, dass er keine andere Wahl hat: Er muss sich darin üben. Und wie er sich darin üben muss. Er lernt die Kunst, sich auf die Zunge zu beißen, er erkennt den Wert einer Faust in der Tasche, er sucht sogar Ermutigung in Blicken, die nicht töten wollen, aber es so gut verstehen abzuweisen, dass sie vernichten. Der Sohn durchläuft gerade Verwandlungen, und der Vater weiß, dass aus ihm nie ein Schmetterling wird, wenn man ihn daran erinnert, welch eine Larve er ist.
Supplement zur Frage der Sukzession
Zu dieser Zeit trägt der Sohn einen alten, schwarzen Strickpullover. In den Wintermonaten zieht er ihn täglich an. Er ist für ihn wie die Kutte für den Mönch. Der Pullover wird so sehr zu einem Teil von ihm selbst, dass er sich entblößt fühlt, als es Frühling wird und ein T-Shirt reicht. Dann denkt er an den Pullover, der gereinigt und fortgeräumt im Koffer liegt. Und lächelt. Im Herbst werden sie sich wiedersehen.
Doch im Oktober drückt ein enthusiastischer Vater den Finger auf seinen Nabel. »Den hatte ich an, als ich mein erstes Buch schrieb!« Es dauert Jahre, bis der Sohn den Pullover wieder eines Blickes würdigt.
Im Raum hängend
»So sprichst du nicht zu deiner Mutter.«
»Wenn ich nur begreifen könnte, was daran verkehrt sein soll, zu Ende zu bringen, was man einmal angefangen hat. Wie soll die Medizin denn sonst eine Chance bekommen?«
»Ich weiß. Aber jetzt ist es nun einmal so, dass du zuhören musst.«
»Kläffer, Kläffer.«
»›Entschuldigung‹ ist natürlich ein viel zu kleines Wort für einen Mund wie deinen?«
»Lass mich in Ruhe mit deiner Frechheit und deinen Theorien.«
»Ich wiederhole: So sprichst du nicht zu deiner Mutter. Wenn du so weitermachst, kannst du gehen.«
Eines Tages packt den Vater gleichwohl eine Wut, die größer ist als alle Geduld. Der Jugendliche ist in seinem Freiheitsdrang zu weit gegangen. Kurz bevor der Vater die Beherrschung verliert, erklärt der Sohn finster: »Aber du hast keine Ahnung, wie sehr ich euch liebe. Wirklich nicht.«
Die Hand hält inne, bleibt hängen. Wie Worte im Raum.
Definition von ...
Später wird der Vater denken: Ich kann ihn nicht davor bewahren, in Seenot zu geraten. Er muss mich davor bewahren, es versuchen zu müssen.
Der Hangar
Die Jahre vor dem Umzug nach Griechenland verbringt die Familie in jener südschwedischen Universitätsstadt, in der die Eltern zwanzig Jahre zuvor geheiratet haben. Diesmal ist ihr Zuhause ein vierhundert Quadratmeter großer Bungalow mit noch einmal halb so viel Wohnfläche im Untergeschoss. Die Behausung wurde vom Direktor des führenden Zementunternehmens im Lande erbaut und ähnelt einem Fabrikgebäude. Die Mutter hegt den Verdacht, dass man das Haus auf Satellitenfotos problemlos erkennen kann. Als sie die Kinder bittet, die Flure abzuschreiten, kommen sie auf eine Gesamtlänge von neunzig Metern. Der eingebaute Kühlschrank hat die Größe eines Umkleideraums, die Sauna im Keller könnte einer Tanzcombo inklusive Instrumente Platz bieten. Während die Kinder energisch diskutieren, wer wo wohnen soll, ist der Vater glücklich. Er tauft das Haus auf den Namen »Der Hangar« und stellt sich vor, dass die Bewohner ihn eines Tages verlassen werden – frisch lackiert und startklar.
Mal hierhin, mal dorthin
Während der Jahre im Hangar fühlt sich der Vater stolz, erschöpft, als der Größte auf Erden. Er jongliert mit drei Stellen und arbeitet mehr denn je. Zeitweise kommen Verwandte zu Besuch, die medizinische Versorgung benötigen, unter anderem eine Cousine mit ihrem kranken Mann. Die beiden wohnen im Keller und verändern für ein paar Wochen die Essgewohnheiten. Die Kinder gehen in die Schule, die Ehefrau eröffnet im repräsentativen Teil des Hauses eine Galerie, nicht einmal eine Homestory in der Lokalzeitung fehlt. Wenn der Flottillenadmiral zufällig nicht sein Schlafdefizit ausgleicht, zieht er sich in die Bibliothek mit eigenem Ausgang zum Garten zurück. Für ein paar Stunden kann er mit seinen Reflexionen über das Innerste des Menschen allein sein.
Mit
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