Die Hand am Sack: schwule erotische Geschichten (German Edition)
Aufregendsten, was das Leben zu bieten hat.
Die Jahre zogen ins Land und ich sah, dass Bruno merklich schneller alterte als ich. Der Job in der Klinik machte ihn kaputt. Einmal sagte er zu mir: »Wenn es dir mal dreckig geht, oder du meinst, dass es dir beschissen geht, dann komm nur für einen Tag zu mir in die Klinik. Da kannst du sehen, was Leid ist und was Schicksalsschläge sind und wo die Schattenseiten des Lebens liegen.« Ein anderes Mal erzählte er, dass ihm besonders die Motorradunfälle nachgingen, wenn er junge Männer in unserem Alter auf den Operationstisch bekäme, so, wie die Sanitäter sie an der Unfallstelle aufgelesen hätten und versuchen müsste, sie wieder zusammenzuflicken. Das konnte er auch als Mediziner nicht so einfach wegstecken. Darum hätte er schon überlegt, den Job an den Nagel zu hängen. Er sagte das nur so. In Wirklichkeit war ihm sein Beruf viel zu wichtig, um ernsthaft Überlegungen an einen Wechsel anzustellen. Anderen zu helfen betrachtete er als seine Lebensaufgabe, und wenn er selbst dabei vor die Hunde ging. Darum, dass er eine Menge Geld bei seinem Job verdiente, viel mehr als ich, beneidete ich ihn nicht. Ich wollte nicht mit ihm tauschen und manchmal, wenn ich ihn zuhause antraf, völlig fertig, nachdem er sechsunddreißig Stunden Dienst an einem Stück absolviert hatte, war ich froh über meinen Achtstundentag.
Unsere Freundschaft war eine von jener lockeren Art, die oft am beständigsten sind. Sicher haben wir mal erwogen, zusammen eine Wohnung zu nehmen oder ein Haus, doch unser Freiheitsdrang hat uns immer davon abgehalten. Wir kamen auch so zurecht und eine der besonderen Eigenheiten unserer Freundschaft bestand darin, dass wir uns ständig in der Wolle lagen. Wenn ich ihm bei seiner Steuererklärung half, beklagte er sich immer, dass er so viel Geld an den Fiskus abführen musste. Dabei gab ich mir gerade bei ihm besondere Mühe und hatte ihm durch einige maßgeschneiderte Bauherrenmodelle schon eine Menge Steuern erspart. Ich revanchierte mich gewöhnlich, indem ich ihn einen Kurpfuscher nannte und ihm vorhielt, dass er meinen Finger verhunzt hätte. Nach Jahren würde er sich immer noch pelzig anfühlen, wodurch mein sexuelles Empfinden erheblich beeinträchtigt sein würde, sodass ich mir ernsthaft überlegte, ihn auf Zahlung einer Rente zu verklagen. Er grinste dann nur mitleidig, so, wie ich es mochte, schlug vor, ich sollte doch den anderen Finger nehmen und hieß mich einen Arsch . Er durfte das sagen. Ich mochte ihn trotzdem oder gerade deshalb, weil er kein Blatt vor den Mund nahm.
Was mich an ihm besonders fasziniert hat, war seine Wandlungsfähigkeit. Zu erleben, wie er nach Dienstschluss aus seinem weißen Kittel in die Ledermontur schlüpfte, so, wie aus einer Raupe ein Schmetterling wurde, war jedes Mal ein Erlebnis. Er konnte sich auch überall anpassen und machte in jeder Situation eine gute Figur, im Smoking bei einer Aufführung der Staatsoper, in Sepplhosen beim Urlaub in den Bergen, im verschwitzten Trainingsanzug beim Waldlauf, in weißen Shorts, die seine haarigen Beine zur Geltung brachten, auf dem Tennisplatz, ohne was an in der Sauna, im Englischen Garten, wenn wir bisweilen ein paar Tage in München verbrachten. Jedes Kleidungsstück schien ihm auf den Leib geschnitten. Lange Zeit graute mir vor dem Tag, an dem er sein Vorhaben wahr machen würde, den Job im Krankenhaus aufzugeben, um sich irgendwo an einem idyllischen Fleckchen Erde als Landarzt niederzulassen.
Es passierte dann tatsächlich. Er fand eine geeignete Praxis in einem Dorf in Schleswig-Holstein und zog dorthin. Anfangs telefonierten wir noch regelmäßig, dann immer seltener, und es kam wie so oft im Leben. Aus den Augen, aus dem Sinn. Eines Tags hörte ich, dass er geheiratet hätte. Von da ab herrschte Funkstille. Vielleicht wollte er seine schwule Vergangenheit begraben und ein neues Leben beginnen. Ich sollte es nie erfahren. Trotzdem waren es schöne Jahre mit ihm, und der pelzige Finger bleibt mir für immer als Andenken.
Einmal kommt die Liebe (2006)
Das Autoradio spielt leise, während ich auf dem Weg zu Friedrich bin. Irgendein Ohrwurm aus den Achtzigern. Als Eros Ramazotti zu singen anfängt, hört der Spaß auf. Ich mag fast jede Art von Musik, außer Jazz und diesen furchtbaren Sprechgesang, doch manche Sänger ertrage ich nicht. Zum Beispiel das nasale Gequake des Italieners aus den Lautsprechern. Die anderen Favoriten für den Ausschaltknopf sind Michelle
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