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Die Hand am Sack: schwule erotische Geschichten (German Edition)

Die Hand am Sack: schwule erotische Geschichten (German Edition)

Titel: Die Hand am Sack: schwule erotische Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. R. Adam
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Ich weiß nicht, woher dieses Empfinden stammt, wo die Wurzeln dieser unerklärlichen Liebe und innigen Verbundenheit zu der mir im Grunde fremden Stadt liegen. Ich überlege, wie es wäre, für immer hier zu leben, vielleicht in einem verwinkelten Altbau in Schwabing zu wohnen und in einem modernen Bürogebäude in der City zu arbeiten. Einkaufen in eleganten Geschäften auf den breiten Boulevards, der Himmel über München ist ja weit im Gegensatz zu der in einem Talkessel gepferchten Schwabenmetropole, Radeln oder Sonnenbaden im Englischen Garten oder in den Isarauen, unter dem berüchtigten Föhn leiden, der die fünfzig Kilometer entfernten Alpen in greifbare Nähe rückt. Wie herrlich wäre das!
    Dem Verkehrsfluss angepasst fahre ich stadteinwärts, orientiere mich an den Hinweistafeln und gelange irgendwie auf die Ludwigstraße, eine der schönsten Straßen Münchens. Vorbei an der geschichtsträchtigen Feldherrnhalle geht es in nördlicher Richtung. Ich habe jetzt die Sonne im Rücken und bewundere die prachtvollen Bauten der Residenz und der Staatsbibliothek. Was haben diese Mauern schon alles erlebt! Die Monarchie mit illustren Regenten bis hin zum barocken Bayernkönig, Revolutionen, Putschversuche, schließlich die Machtergreifung durch die braunen Horden und als Folge die Bombardierung der Zivilbevölkerung aus der Luft. Am Ende eine Stadt in Trümmern, Hunger, unbeschreibliches Elend und, was kaum jemand für möglich gehalten hatte, Wiederaufstieg aus den Ruinen wie Phönix aus der Asche, bescheidener Wohlstand und schließlich das Wirtschaftswunder in voller Blüte. Allein die Musikrichtungen, die an den alten Mauern ihren Widerhall fanden, sind atemberaubend. Wagner und Schrammelmusik, Orff und der Badenweilermarsch, Les Préludes von Liszt zu den Durchsagen des Oberkommandos der Wehrmacht, dann Rudi Schuricke und Max Greger, später Manuela, Rex Gildo, Boney M. und Falco. Unglaublich!
    Wie viele Morde sind in den ehrwürdigen Mauern passiert und haben die feine Gesellschaft so dezimiert, dass von der Schickeria eigentlich niemand mehr übrig sein dürfte. Erst haben die Beamten von Isar 12 ermittelt, dann wandte Franz-Josef Wanninger seine seltsamen Methoden an. Als er in den verdienten Ruhestand ging, trat der Kommissar auf den Plan. Auf ihn folgte Derrick mit seinen Glubschaugen und ließ von Harry schon mal den Wagen vorfahren. Meine Großmutter mochte ihn nicht und prägte einmal ein herrliches Bonmot: »Ich weiß nicht, der Derrick tappert immer so lang im Dunkeln!« Alles haben diese Mauern und die darin lebenden Menschen überstanden, vielleicht grantig und gottsallmächtig fluchend, wie der Münchner im Himmel, vielleicht augenzwinkernd mit einem Kir Royal in der Hand.
    Ich stelle den Wagen in der Schellingstraße ab, wo es keine Parkuhren gibt, von da ist es nicht weit zur U-Bahn. Als Fremder kann ich ein Touristen-Ticket nutzen und damit kreuz und quer durch die Stadt fahren. Am Spätnachmittag werde ich dann hierher zurückkehren und zum krönenden Abschluss meiner Reise den weiß-blauen Gay-Shop besuchen, der von einem Ludwig-Imitator geführt wird. So ist der gewöhnliche Ablauf. Erstes Ziel ist der Hauptbahnhof, wo ich den Trubel genieße und mir eine Abendzeitung kaufe, damit ich weiß, was in der Stadt los ist. Dann grase ich die Neuhauser Straße ab, besuche Karstadt und später ein Plattengeschäft am Ende der Kaufinger Straße, schon in der Nähe des Viktualienmarkts. Verschiedene Boutiquen dazwischen lasse ich links liegen, bin ja keine Modetöle. Zu Fuß geht es weiter in Richtung Gärtnerplatz. Dort befindet sich der schwule Buchladen Sodom , ein Novum. So etwas gibt es in Stuttgart noch nicht, ein eigener Buchladen, nur für Schwule und Lesben, mit Regalen voll einschlägiger Bücher und Bildbände. Ich komme mir vor wie im Schlaraffenland. Fast bis zum Mittag schmökere ich im Kreise der wenigen Kunden, bekomme hin und wieder eine Gänsehaut und fühle mich befreit. Wenn man vom Land kommt, wo über Schwule noch getuschelt, wenn nicht sogar mit Fingern auf sie gezeigt wird, erscheint einem die Weltoffenheit dieser Stadt wie ein Geschenk des Himmels. Ich kann es nicht fassen. Ein schwuler Buchladen, und Leute, die am helllichten Tag ungeniert hereinkommen, Bücher kaufen und sich damit als andersrum zu erkennen geben. Schon allein dafür lohnt sich die Reise.
    Mit der U-Bahn kehre ich zwischendurch zu meinem Wagen zurück, um die vielen Tragtüten abzuladen. Es ist inzwischen

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