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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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inzwischen die Baumwolltücher zusammenlegt. Ted fasst den Kleinen anders, klemmt das Ärmchen an den Körper, so dass der Daumen nicht mehr herausrutschen kann, aber anscheinend hat er ihn damit an etwas erinnert, denn er stutzt plötzlich, macht den Rücken steif, dreht den Hals hin und her und will gefüttert werden.
    Ted bemüht sich noch ein wenig länger, seinen Sohn zum Schlafen zu bringen, aber er will nur noch trinken, er weint, er quengelt, er windet sich und strampelt - bis Ted aufgibt und Elina auf die Schulter tippt. Wortlos schiebt sie das Durcheinander aus Feuchttüchern, Gebrauchsanweisungen für Sterilisatoren, Babysöckchen und ungeöffneten Karten
vom Sessel auf den Boden, setzt sich hin und hebt ihre Bluse hoch.
    Ted staunt, wie schnell und glatt das Anlegen über die Bühne geht: Mit der einen Hand hakt sie ihren BH auf, während sie mit der anderen das Kind in die richtige Schräglage bringt. Es stößt noch einen letzten schrillen Schrei der Erleichterung aus und verstummt. Elina rutscht ein Stückchen tiefer in den Sessel und lässt den Kopf nach hinten sinken, an die Wand. Wieder fällt Ted auf, wie blass sie ist, wie dunkel und breit ihre Augenringe, wie dünn ihre Gliedmaßen. Ihn überkommt der Drang, sich zu entschuldigen - wofür, weiß er selbst nicht genau. Er zermartert sich das Hirn, was er sagen könnte, etwas Heiteres, vielleicht sogar Witziges, damit sie auf andere Gedanken kommen und sich daran erinnern, dass das Leben auch anders sein kann. Aber ihm fällt nichts ein, und dann bäumt sich das Kind auf, es schreit, es zappelt, es schwingt die Fäustchen. Elina macht die Augen auf und setzt sich gerade hin, sie legt ihn über ihre Schulter, reibt ihm den Rücken, löst seine Händchen aus ihren Haaren. Ted hält es nicht mehr aus. Er kann nicht mit ansehen, wie sie sich auf rafft, wie sie entkräftet den Kopf wieder aufrichtet, um irgendwie zu funktionieren. Er schnappt sich einen stehen geblieben Kuchenteller und flieht in die Küche.

    Das Kind trinkt schlecht. Elina stemmt sich aus dem Sessel. Manchmal klappt es mit dem Stillen nur, wenn sie auf und ab geht. Die Bewegung scheint es zu beruhigen, seine Verdauung anzuregen. Oder so. Langsam, ganz langsam geht sie zum Fenster und wieder zurück. Aufgeregt dreht es das Köpfchen hin und her, dann dockt es an. Elina geht weiter auf und ab, atmet in leisen Stößen aus.

    »Ted«, sagt sie, als sie an der Küchentür vorbeikommt. Er ist in den Abwasch vertieft, die Hände in der Spülschüssel. Sie möchte etwas zu ihm sagen, was sie beide daran erinnert, dass sie mehr miteinander verbindet als nur die Tatsache, dass sie Eltern desselben Kindes sind.
    »Hmm?« Er nimmt eine tropfende Tasse aus dem Wasser.
    Aber ihr fällt nichts Besseres ein als: »Wie geht es dir?«
    Er sieht sie erstaunt an. »Gut. Und dir?«
    »Auch gut.«
    »Gut. Müde?«
    »Natürlich. Und du?«
    »Natürlich.« Er zieht einen Teller aus dem schaumigen Wasser und lehnt ihn an die Tasse. »Vielleicht kannst du dich ein bisschen hinlegen, wenn er fertig ist.«
    »Vielleicht«, sagt sie. »Vielleicht schläft er ein. Dann könnten wir alle drei ein Nickerchen machen.«
    Ted nickt. »Hört sich gut an.«
    Elina erträgt es nicht. Warum reden sie so miteinander? Was ist mit ihnen passiert? Sie sucht nach einer Bemerkung, einer einzigen interessanten Bemerkung, um sie aus dieser höflichen Apathie herauszureißen, doch ihr Verstand lässt sie im Stich. Sie dreht sich um und nimmt ihre Wanderung wieder auf. Wie kann es sein, dass sie ein Kind zur Welt gebracht hat, das nur trinken kann, wenn es in Bewegung ist?
    Früher war es anders. Sie möchte es ein für alle Mal festhalten: Wir waren nicht immer so.
    Sie legt das Kind an ihre Schulter, seine kleine Stirn sinkt in ihre Halsbeuge, sein feuchtwarmer Atem strömt in ihren Kragen. Sie hat Ted bei der Wohnungssuche kennengelernt; sie suchte eine Wohnung, weil sie beschlossen hatte, Oscar zu verlassen; sie hatte beschlossen, Oscar zu verlassen,
weil er sich seine Materialien nie selbst kaufte, sondern sich ständig bei ihren bediente, weil er nicht kochen konnte, höchstens Spiegeleier mit Speck, weil er mit einer Kellnerin geschlafen hatte; mit der Kellnerin hätte er geschlafen, so Oscar, weil er sich durch den Erfolg von Elinas letzter Ausstellung bedroht fühlte. Eine Kettenreaktion aus Speck, geklauten Pinseln, Sex mit Kellnerinnen und Wohnungsnot führte dazu, dass sie sich auf Teds Anzeige meldete. Ein Zimmer in

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