Die Hand die damals meine hielt - Roman
in die Tate Gallery, macht einen Spaziergang am Fluss. Sie geht mit Hannah in Hampstead ins Kino. Sie stellt zum x-ten Mal die Möbel in ihrem Zimmer um, putzt ihre Schuhe, schreibt eine Einkaufsliste. Das Wetter schlägt um, es wird schwül und drückend, und Lexie sitzt am offenen Fenster, trocknet auf der Fensterbank ihre Strümpfe, starrt in den Himmel und kann es nicht fassen, dass er dem Himmel zu Hause so ähnlich sieht.
Als Lexie am Montagabend um fünf nach sechs zusammen mit dem Buchhalter das Kaufhaus verlässt, steht ein Sportwagen davor, ein MG in Eisblau und Silber, halb auf dem Bürgersteig, halb auf der Straße geparkt.
Sein Besitzer lehnt an der Motorhaube und liest Zeitung, Zigarettenrauch schlingt sich um ihn wie ein Schal. Er trägt seltsame spitze Stiefel und ein türkisfarbenes Hemd.
Lexie bleibt stehen. Der junge Kollege, der sie untergefasst
hat, bekniet sie, ihn in einen Pub am Marble Arch zu begleiten. Innes hebt den Kopf. Sein Blick wandert über sie hinweg zu dem Buchhalter. Sein Gesichtsausdruck ändert sich minimal. Er lässt die Zigarette fallen und faltet, während er über den Bürgersteig kommt, die Zeitung zusammen.
»Schatz.« Innes legt Lexie den Arm um die Taille und küsst sie voll auf den Mund. »Ich bin mit dem Auto da. Wollen wir?« Er hält ihr die Beifahrertür des MG auf, und Lexie, verwirrt von dem Kuss, dem Tempo der Ereignisse und seinem unglaublichen Hemd, steigt ein. »Wiedersehen.« Innes winkt dem jungen Mann und klemmt sich hinter das Lenkrad. »War nett, Sie kennengelernt zu haben.«
Lexie ist fest entschlossen, nicht als Erste etwas zu sagen. Was untersteht sich dieser Mensch, sie einfach so in seinen Wagen zu verf rachten? Was fällt ihm ein, sich eine ganze Woche nicht blicken zu lassen und sie dann auf den Mund zu küssen?
»Wer war der Troll?«, murmelt Innes, als sie mit quietschenden Reifen losfahren.
»Der Troll?«
Innes deutet mit dem Kopf zum Bürgersteig. »Ihr Freund in Flanell.«
»Er … Ich …« Sie weiß nicht, was sie sagen will. »Er ist kein Troll«, entgegnet sie schließlich hochnäsig. »Er ist ein sehr interessanter Mann. Er hat vor, so viele Bombengrundstücke wie möglich aufzukaufen und …«
»Aha, ein Geschäftsmann.« Innes lacht, laut und ausgiebig. »Das hätte ich mir denken können. Der klassische Fehler einer Frau in Ihrer Lage.«
»Was soll das heißen?«, schreit Lexie wutentbrannt. »Was für ein Fehler? Und was meinen Sie mit meiner Lage?«
»Ein junges Ding, noch neu in der großen Stadt. Geblendet von den Hahnenkämpfen der Geschäftswelt.« Kopfschüttelnd biegt er in die Charing Cross Road ein. »Es ist doch jedes Mal dasselbe. Wissen Sie«, sagt er, beugt sich zu ihr hinüber und greift nach ihrer Hand, »eigentlich wäre es mein gutes Recht, beleidigt zu sein.«
»Wieso?«
»Kaum dreht man Ihnen einmal für fünf Minuten den Rücken zu, schon lassen Sie sich mit Immobilienspekulanten ein. Denken Sie denn gar nicht mehr an …«
»Fünf Minuten?« Sie reißt ihm die Hand weg. Jetzt hat sie ihn schon wieder angeschrien. Anscheinend kann sie keinen normalen Ton mehr anschlagen. »Über eine Woche! Und was heißt hier überhaupt Ihr gutes Recht? Wie kommen Sie …«
Innes rubbelt sich schmunzelnd das Kinn. »Dann haben Sie mich also doch vermisst, ja?«
»Ganz und gar nicht. Nicht im Geringsten. Und wenn Sie sich einbilden …« Sie bricht ab. Sie sind in eine enge Straße eingebogen. Die Fenster sind dunkel, die Schilder über den Eingängen nur schwach beleuchtet. »Wo wollen Sie mit mir hin?«
»In einen Jazzclub, dachte ich. Aber erst später. Ich muss vorher noch auf einen Sprung in die Redaktion.« Zum ersten Mal sieht er leicht verunsichert aus. »Ich hoffe, das stört Sie nicht. Am Auslieferungstag kann ich meine Leute nicht im Stich lassen. Wollen Sie vielleicht etwas lesen, bis ich fertig bin? Es dürfte nicht allzu lange dauern. Bei uns liegen jede Menge Bücher herum, aber vielleicht haben Sie ja auch selbst eines dabei. Ich weiß, es ist kein besonders verlockendes Angebot, aber ich musste Sie unbedingt abfangen.«
Lexie zwirbelt an einem ihrer Handschuhfinger. Sie sieht
aus dem Fenster, auf die nassen Straßen von Soho, auf einen Radfahrer, dessen Korb turmhoch mit Zeitungen beladen ist. Sie will nicht zugeben, wie gern sie einen Blick in das Innere der Redaktion werfen würde, von deren hektischem Treiben sie in der vergangenen Woche nur einen kurzen Eindruck erhascht hat. »Mir soll’s
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