Die Hand die damals meine hielt - Roman
bis unten, wie eine wählerische Kundin eine Schaufensterpuppe. »Tja«, meinte sie, als sie damit fertig war, und lachte spröde. »Ich kann nur sagen, dass sie von Mal zu Mal jünger werden. Findest du nicht auch, Liebling?« Damit drehte sie sich um, und zu Lexies Überraschung kam hinter ihr ein etwa zwölf, dreizehn Jahre altes Mädchen zum Vorschein, blass und mit Korkenzieherlöckchen, für die sie wahrscheinlich mit aufgedrehten Haaren schlafen musste. Sie atmete durch den Mund, als ob sie Polypen hätte.
»Ja, Mutter«, murmelte sie.
Lexie stand auf und sah mit einiger Genugtuung, dass sie die andere um einiges überragte. »Entschuldigen Sie, aber dürfte ich bitte erfahren, welche Angelegenheit Sie hierherführt?«
»Na, so was.« Die Frau brach erneut in Gelächter aus. »Sie denken wohl, Sie sind was Besseres. Diesmal hat er sich selbst übertroffen, sich ein Betthäschen zu angeln, das so jung ist und sich auch noch so gewählt ausdrücken kann. Welche Angelegenheit mich hierherführt?«, äffte sie Lexie nach und warf einen Blick auf ihre Tochter, die Lexie noch immer mit offenem Mund anstarrte. »Wo hat er Sie denn aufgegabelt? Ganz bestimmt nicht in einer üblen Spelunke wie seine anderen Weiber. Sieh sie dir gut an, mein Liebling«, sagte sie zu ihrer Tochter. »Für so etwas hat dein Vater uns verlassen.« Sie hatte kaum ausgesprochen, da fing ihre akkurat geschminkte Fassade an zu bröckeln. Zu Lexies Entsetzen senkte Gloria - denn niemand anderer konnte sie
sein - den Kopf, kramte aus ihrer Handtasche ein Taschentuch hervor und presste es sich ins Gesicht.
Hinter ihnen flog knallend eine Tür auf, wütende Schritte kamen näher. Mit starrer Miene kam Innes hereingestürmt.
Neben Lexie blieb er stehen. Einen Augenblick lang betrachtete er seine Frau, den Hut, das Taschentuch, die Tränen. Er nahm seine Zigarette aus dem Mund und fuhr sich durchs Haar. »Was willst du hier, Gloria?«, fragte er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Ich musste kommen«, hauchte Gloria und tupfte hinter dem Schleier an ihren Augen herum. »Du darfst mich gern töricht schelten, aber eine Frau muss die Wahrheit wissen. Ich musste sie sehen. Margot musste sie sehen.« Sie sah Innes flehend an, doch der ignorierte sie und nickte dem Mädchen zu.
»Hallo, Margot«, sagte er leise. »Wie geht es dir?«
»Danke, es geht mir gut, Vater.«
Ihre Antwort ließ ihn leicht zusammenzucken. Trotzdem ging er einen Schritt auf sie zu. »Wie man hört, bist du auf einer neuen Schule. Wie gefällt es dir da?«
Gloria fuhr so heftig herum, dass ihr marineblauer Rock raschelnd sein Hosenbein streifte. »Als ob dich das interessiert«, kläffte sie und sagte zu ihrer Tochter, ohne sie anzusehen: »Antworte ihm nicht, Margot.« Innes und sie durchbohrten einander mit Blicken. »Du sagst ihm gar nichts. Wieso solltest du auch, wenn er uns wie Luft behandelt?«
»Gloria …«, begann Innes.
»Frag ihn, Liebling.« Gloria packte ihre Tochter am Arm und schob sie vor Innes. »Frag ihn, was wir wissen wollen.«
Margot konnte ihrem Vater nicht in die Augen sehen. Mit steinerner Miene sah sie zu Boden.
»Frag ihn!«, beharrte Gloria. »Frag du ihn, ich kann es nicht.« Unter großem Gewese kam das Taschentuch erneut zum Einsatz.
Margot räusperte sich. »Vater«, sagte sie mit tonloser Stimme, die Augen noch immer niedergeschlagen. »Willst du nicht bitte wieder nach Hause kommen?«
Innes machte eine kleine Bewegung mit der Hand, fast so, als ob er an seiner Zigarette ziehen wollte. Er sah das Mädchen sekundenlang an. Dann legte er die Zigarette in einen Aschenbecher und verschränkte die Arme. »Gloria«, sagte er leise und mit angespannter Stimme. »Dieser Auftritt ist mehr als unüberlegt. Und auch noch Margot mit hineinzuziehen. Das ist einfach …«
»Auftritt?«, kreischte Gloria und zog das Mädchen wieder hinter sich. »Glaubst du denn, ich bin aus Stein? Denkst du, ich habe überhaupt keine Gefühle? Deine anderen Weiber konnte ich ignorieren. Und es gab Gott weiß genug davon. Aber das hier! Das geht entschieden zu weit. Die ganze Stadt zerreißt sich schon das Maul darüber.«
Innes seufzte und massierte sich die Stirn. »Worüber?«
»Dass sie mit dir zusammenlebt! Dass du uns verlassen hast, um dir eine Geliebte zu nehmen. Ein Mädchen, das halb so alt ist wie du. In der Wohnung, die von Rechts wegen uns gehören sollte, Margot und mir. Und dass du zu uns gehörst, zu deiner Frau und deinem Kind.«
Innes ließ sich
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