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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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nicht aus der Ruhe bringen. »Erstens«, sagte er, »müsstest du wissen, dass die Hälfte von vierunddreißig siebzehn beträgt.« Er deutete auf Lexie. »Sieht sie wie siebzehn für dich aus? Zweitens habe ich dich nicht ihretwegen verlassen. Du und ich, leben schon lange getrennt. Wir wollen uns doch nichts vormachen. Drittens hast du keinerlei Anspruch auf die Wohnung. Du hast das Haus
bekommen - das Haus meiner Mutter, wie ich hinzufügen könnte -, ich die Wohnung. So lautete unsere Vereinbarung. Viertens, Gloria, begreife ich nicht, was dich das alles überhaupt angeht. Ich mische mich nicht in dein Leben, und ich wäre dir dankbar, wenn du es ebenso halten würdest.«
    Während Innes’ Rede hatte Lexie verstohlen Margot beobachtet. Sie fühlte sich auf seltsame Weise mit ihr verbunden. Zwei Zeugen eines allzu oft wieder aufgewärmten Streits. Als sich ihre Blicke trafen, sah Margot nicht weg. Sie zuckte nicht mit der Wimper, sie rührte keinen Muskel. Sie glotze nur mit offenem Mund so stier zurück, dass Lexie ein kalter Schauer überlief. Nach ein, zwei Sekunden hielt Lexie es nicht mehr aus, und sie sah wieder Gloria an, deren Hut nicht mehr ganz so akkurat wie vorher auf ihrem Kopf saß und die sich kreischend über Ehrbarkeit und Anstand erging.
    »Gloria«, sagte Innes mit Grabesstimme. »Wäre Margot nicht hier, gäbe es viele Antworten, die ich dir auf deinen Vorwurf der moralischen Verderbtheit geben könnte. Um ihretwillen, und ausschließlich um ihretwillen beherrsche ich mich.«
    In dem nun einsetzenden kurzen Schweigen war lediglich Glorias leichtes Keuchen zu hören. Die beiden bildeten ein sonderbares Tableau, fand Lexie. Ohne Ton, ohne Worte, ohne das Kind, das hinter ihnen stand, hätte man es für den Gipfel leidenschaftlicher Liebe halten können statt für das genau Gegenteil. Innes und Gloria sahen aus, als ob sie sich im nächsten Augenblick in wilder Umarmung vereinen wollten.
    Innes gab als Erster nach. Mit zwei großen Schritten war er an der Tür und riss sie auf. »Es wäre wohl besser, wenn du gehst«, sagte er, den Blick auf den Boden geheftet.

    Gloria wirbelte mit raschelnden Röcken zu Lexie herum, wie um sie sich ins Gedächtnis einzuprägen. Sie betrachtete sie von oben bis unten, strich sich die Haare glatt, rückte ihren Hut zurecht, hüstelte. Dann wirbelte sie zurück, packte den Arm ihrer Tochter und rauschte mit ihr zusammen an Innes vorbei.
    Das Kopfnicken, mit dem er sich von dem Mädchen verabschiedete, glich einer angedeuteten Verbeugung. »Auf Wiedersehen, Margot. Ich habe mich gefreut, dich zu sehen.« Er bekam keine Antwort. Margot Kent schlich mit gesenktem Kopf hinter ihrer Mutter her.
    Innes schloss die Tür. Er atmete tief ein und seufzend wieder aus, holte mit dem Fuß aus und trat gegen einen Papierkorb.
    »Das«, sagte er, wie zu sich selbst, »war meine Frau. Meine geliebte bessere Hälfte. Was für ein Anblick, hm?« Er schlug einmal, zweimal mit der Hand gegen die Wand. Lexie sah tatenlos zu.
    Innes schüttelte seine Hand aus, streckte die Finger. »Autsch.« Er klang überrascht. »Verdammt.«
    Lexie ging zu ihm und fing an, seine Hand zu massieren. »Trottel«, sagte sie.
    Er zog sie an sich. »Weil ich gegen die Wand geboxt habe?« Er presste seine Lippen in ihr Haar. »Oder weil ich diese Mänade geheiratet habe?«
    »Sowohl als auch«, antwortete sie.
    Er drückte sie. »Mein Gott«, sagte er. »Auf diesen Schreck muss ich was trinken. Wie steht’s mit dir?«
    »Hm.« Lexie runzelte die Stirn. »Ist es nicht noch ein bisschen früh dafür?«
    »Du hast recht! So ein Mist aber auch. Wahrscheinlich ist noch nirgendwo geöffnet.«

    »Nein, ich meinte …«
    »Wie spät ist es?« Er sah auf seine Uhr, klopfte seine Hosentaschen nach Kleingeld ab, pflügte sich mit den Fingern durchs Haar. »Das Coach and Horses? Nein. Nicht um diese Uhrzeit. Wir könnten es im French Pub probieren. Was meinst du? Verdammt.« Er fasste sie bei der Hand und riss die Tür auf. »Gehen wir.«
    Sie marschierten die Bayton Street hinunter. Wo sie in die Dean Street mündet, blieb Innes stehen. Er sah nach links, er sah nach rechts. Er steckte sich eine Zigarette an. »Wir probieren es bei Muriel«, entschied er knurrig. »Sie schuldet mir noch einen Gefallen.«
    »Wofür?«, fragte Lexie, aber da hatte Innes sich schon wieder in Bewegung gesetzt.
    Minuten später saßen sie an einem Ecktisch im Colony Room, und Innes genehmigte sich einen Whisky. Die Vorhänge waren

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