Die Hand die damals meine hielt - Roman
eine Untertasse von der Spüle auf den Boden knallt und zerbricht. Das Kind wacht auf und stößt einen durchdringenden Schrei aus.
»Oh!«, ruft Elina und schlägt sich eine blau gefärbte Hand auf die Brust. »Was soll das?«
Ted ist in Sekundenschnelle durch die Tür. Ohne seine Mutter zu Wort kommen zu lassen, will er zu einer Erklärung ansetzten, als Elina, die sofort zu dem Kind stürzt, mit den nackten Füßen in die Porzellanscherben tritt, so dass Ted den Kleinen hochnimmt, der außer sich ist, weil man ihn aus dem Schlaf gerissen hat. Elina setzt sich auf einen Stuhl und hält sich mit ihren blauen Händen den Fuß, und sie sagt: Ich fass es nicht, dass ihr ihn geweckt habt, nachdem ich ihn endlich zum Schlafen gekriegt hatte. Und ihr Fuß blutet, und sie klingt, als ob sie gleich in Tränen ausbrechen wird. Während sie sich eine Untertassenscherbe aus der Ferse zieht, stößt sie ein finnisches Wort aus, das sich für Ted sehr nach einem Fluch anhört.
»Du kannst ruhig weiterarbeiten«, sagt Ted über das Geschrei hinweg und ohne auf das Blut zu sehen, das aus ihrer Wunde tropft. Er klingt wenig überzeugend. »Wenn du möchtest. Wir nehmen den Kleinen und …«
Mit einem weiteren finnischen Fluch schmeißt Elina eine Scherbe in den Mülleimer. »Wie soll ich denn weiterarbeiten?«, ruft sie und deutet auf das schreiende Kind. »Willst du ihn stillen? Oder deine Mutter?«
Ted schaukelt seinen Sohn. »Wir können nichts dafür«, sagt er. »Wir wussten nicht, wo du warst. Als ich nach Hause kam, warst du weg. Ich hab mir wirklich Sorgen um dich gemacht. Ich habe überall gesucht und …«
»Überall?«, wiederholt Elina.
»Ich dachte … Ich dachte …«
»Du dachtest was?« Sie starren einander wutentbrannt an, dann senken sie im selben Moment den Blick. »Gib mir das Kind«, sagt sie leise und fängt an, ihren Kittel aufzuknöpfen.
»Elina, komm ins Haus. Du brauchst ein Pflaster und …«
»Gib mir das Kind.«
»Still ihn doch lieber im Haus. Meine Mutter ist zu Besuch. Komm mit rein und …«
»Nein!«, schreit sie. »Ich bleibe hier. Und jetzt gib mir endlich das Kind!«
Aus den Augenwinkeln sieht Ted, wie seine Mutter, die neben der Tür steht, den Kopf schüttelt. »Du große Güte«, sagt sie. »Was für ein Lärm.« Beim Klang ihrer Stimme zuckt Elina zusammen. Ted hat ein schlechtes Gewissen, weil er weiß, dass sie niemanden in ihrem Atelier haben will, keinen Menschen, nicht einmal ihn, nicht einmal ihren Galeristen. Aber Teds Mutter interessiert sich nicht für Elinas Arbeiten, für die unfertigen Skizzen und die gespannten Leinwände, für die Fotos und Dias auf dem Leuchtkasten und die Werkzeuge an der Wand, sie hat nur Augen für das Kind, einen hungrigen, gierigen Blick.
»Was hast du denn?«, sagt sie säuselnd zu dem Kleinen. »Was ist denn los, kleiner Mann?« Ihre lackierten Fingernägel raspeln über Teds Handflächen, als sie ihm den Kleinen abnimmt. »Bist du traurig, weil Mummy und Daddy streiten? Bist du traurig? Keine Bange. Du kommst jetzt mit Grandma mit, und dann wird alles wieder gut.«
Sie geht mit ihm hinaus. In dem leeren Studio sehen Ted und Elina sich an. Elinas Gesicht ist kreideweiß, ihre Lippen einen Spaltbreit geöffnet, als ob sie etwas sagen will.
»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, sagt Ted noch einmal. Er stupst mit dem Schuh gegen die Teppichkante.
Elina springt vom Stuhl und baut sich vor ihm auf. »Weißt du was, Ted?« Sie umschließt sein Gesicht mit beiden Händen. »Mir geht es gut. Wirklich. Anfangs war das anders, aber jetzt geht es mir wieder gut. Du bist derjenige, um den wir uns Sorgen machen müssen.«
Stumm versenkt er sich in ihre Augen, in das vertraute Schieferblau, links einen Hauch dunkler als rechts, aus dem ihn eine Miniaturversion seiner selbst ansieht. So stehen sie einige Sekunden voreinander. Durch die offene Tür dringt das Babygeschrei herein, immer lauter und gellender werdend.
Ted macht sich von Elina los. Er schlägt die Augen nieder und dreht sich weg. Er weiß, dass sie ihn immer noch ansieht. »Der Kleine hat Hunger«, murmelt er im Hinausgehen. »Ich bringe ihn dir.«
L exie arbeitete seit einigen Monaten bei elsewhere und wohnte seit einigen Wochen mit Innes zusammen. Jeden Morgen trafen sie nach einer rasenden MG-Fahrt gemeinsam in der Bayton Street ein. In Lexies Erinnerung sollten diese morgendlichen Fahrten immer mit einem angenehm wunden Gefühl im Unterleib und den Innenseiten der
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