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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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zugezogen, damit die Nachmittagssonne nicht hereinfiel, und auf einem Hocker neben der Tür ließ Muriel Belcher den Blick durch ihr Reich schweifen. »Was für eine Laus ist denn unserer Miss Kent heute über die Leber gelaufen?«, lautete ihre Begrüßungsfrage, als Innes hereingestapft kam.
    Lexie sah zu, wie die bunten Fische im Aquarium über der Kasse einander umkreisten, und schrieb ihren Namen in Gin und Tonic mit einem Cocktailstäbchen auf den klebrigen Tisch. An der Theke saß ein Mann mit breitem, schiefem Gesicht, der laut und etwas herablassend auf einen anderen Mann einredete, den Innes als MacBryde begrüßt hatte. In der Ecke tanzte ein gut aussehender, hochgewachsener Mann allein zur Grammophonmusik. Eine alte Frau in einem schmuddeligen Mantel hockte, umringt von Tüten und Taschen, am Nebentisch und schlürfte vor
sich hin brummelnd den Schnaps, den Innes ihr spendiert hatte.
    »Du bist doch hoffentlich nicht darauf reingefallen?«, fragte Innes plötzlich.
    Lexie sah von dem Cocktailstäbchen hoch. »Worauf?«
    »Auf das melodramatische Getue.«
    Lexie schwieg und tauchte das Stäbchen wieder in ihren Drink.
    Innes zermalmte seine Zigarette. »Sie ist die perfekte Schauspielerin. Das siehst du doch, ja? Die Tränen und die Wutanfälle - alles Theater. Ihr geht es nur um das Spiel. Ich bin ihr völlig egal. Sie will bloß nicht als Verliererin dastehen. Sie kann den Gedanken nicht ertragen, dass ich mit dir zusammenlebe.«
    Lexie schwieg noch immer.
    »Ich bin ihr egal«, wiederholte Innes.
    Lexie trank einen Schluck; warm verbreitete sich der Gin in ihrem Körper. Der tanzende Mann hatte eine neue Platte aufgelegt. Er drehte sich zu einer hektischen, rasanten Melodie im Kreis und ließ dabei den Kopf vor und zurück schnellen. »Da bin ich mir nicht so sicher.«
    »Aber ich.«
    »Und wie sieht es mit Margot aus?«
    Innes leerte stumm sein Glas. »Sie ist nicht von mir«, sagte er schließlich.
    »Ganz bestimmt nicht?«
    »Hundertprozentig nicht.«
    »Wie kannst du dir da so sicher sein?«
    Er blickte hoch, lächelte kurz, dann sah er wieder auf den Tisch. Er rollte das leere Glas zwischen seinen Händen. Die alte Frau nutzte die Pause, um sich hinüberzubeugen und ihm mit einer Tabaksdose unter der Nase herumzuklappern.
»Dürfte ich Sie vielleicht um eine kleine Spende für einen durstigen Menschen bitten?«, fragte sie mit einem aufgesetzten Oberschichtsakzent.
    Seufzend warf Innes einen Shilling in ihre Dose. »Bitte sehr, Nina«, sagte er. Dann wandte er sich wieder Lexie zu. »Als Margot geboren wurde, war ich zwei Jahre nicht zu Hause gewesen«, sagte er.
    »Aber sie weiß nicht, dass du nicht ihr Vater bist?«
    Innes strich ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr und zupfte sie wieder hervor.
    »Innes.« Lexie zog den Kopf weg. »Wieso weiß sie es nicht?«
    »Sie …« Innes brach ab. »Weil ich immer dachte, die Wahrheit wäre noch schlimmer für sie. Sie kann ja schließlich nichts dafür. Wenn ich sie verleugnen würde, hätte sie gar keinen Vater, und ein nutzloser Vater ist immer noch besser als gar keiner. Findest du nicht auch?«
    »Ich weiß nicht. Wirklich nicht. Ich finde, sie sollte die Wahrheit erfahren.«
    »Ach.« Mit einer abwehrenden Handbewegung stand Innes auf, um zur Theke zu gehen. »Ihr jungen Leute seid immer so versessen auf die Wahrheit. Dabei wird sie meistens maßlos überschätzt.«

    Innes’ Ehe blieb für Lexie in weiten Teilen ein Rätsel. Er redete nicht viel über Gloria, und wenn doch, dann normalerweise nur, um zu fluchen und zu schimpfen und sich immer ausgeklügeltere Beleidigungen für sie auszudenken.
    Lexie erfuhr nur die nackten Fakten: dass Innes bei Kriegsbeginn siebzehn Jahre alt war und sich seine Mutter Ferdinanda trotz dauernden Fliegeralarms weigerte, das
Haus am Myddleton Square zu verlassen. Sie hielt mit ihrem Mädchen Consuela die Stellung, während Innes zur Schule ging. Und was haben sie gemacht?, fragte Lexie eines Abends, als sich das Fenster zu seiner Vergangenheit einen Augenblick lang öffnete. Gestickt, antwortete er. Und gebastelt - an der Wahrheit. Mit achtzehn ging er nach Oxford, um Kunstgeschichte zu studieren. Mit zwanzig wurde er zur Royal Air Force eingezogen.
    Man stelle sich den zwanzigjährigen Innes im blauen Drillich vor, in Reih und Glied stehend, den schönen Künsten entrissen, in ein Ausbildungslager in der tiefsten Provinz verpflanzt. Er war kreuzunglücklich. Er hatte nicht das Naturell für die Luftwaffe, für

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