Die Hand die damals meine hielt - Roman
sagt sie und hält ihm automatisch die Wange hin, bevor sie bemerkt, dass er Joggingsachen trägt. Sie weicht zurück und rümpft die Nase. »Möchtest du erst duschen?«
»Nein, nicht nötig.« Ted schüttelt sich wie ein Hund, der aus dem Wasser kommt, und wischt sich die Haare aus der Stirn. »Ich kann nicht bleiben. Dad wollte, dass ich kurz vorbeikomme, um …«
»Bist du die ganze Strecke gelaufen?«, fragt sie, während sie in die Küche durchgehen.
»Ja.«
»Von der Arbeit?«
»Hm.«
»Ist das klug?«
»Klug?«
Sie zuckt mit ihren Kaschmirschultern. »Na, wegen der Luftverschmutzung und so. Und wegen deiner Gelenke.«
»Meiner Gelenke?«
»Ja. Ich habe gehört, dass Joggen ziemlich schädlich sein kann.«
Lachend lässt Ted sich auf einen Küchenstuhl fallen. »Mum, ich würde sagen, die Welt ist sich darin einig, dass Sport sehr gut für die Gesundheit ist.«
»Ach ja?« Sie macht ein zweifelndes Gesicht. »Da bin ich mir nicht so sicher. Und du willst wirklich nicht schnell unter die Dusche springen?«
»Wirklich nicht. Ich muss zusehen, dass ich nach Hause komme.«
»Wir hätten auch ein Handtuch für dich.«
»Ich weiß, dass ihr Handtücher habt, Mum. Und sie sind auch bestimmt schön weich und alles, aber ich kann nicht bleiben. Dad wollte, dass ich kurz vorbeischaue, um ein paar Papiere zu unterschreiben, und dann muss ich gleich wieder los.«
»Du bleibst nicht zum Abendessen?«
»Ich bleibe nicht zum Abendessen.«
»Aber wenigstens auf eine Tasse Kaffee? Und dazu ein Sandwich? Ich mach’ dir eins, mit Schinken und …«
»Es geht leider nicht, Mum.«
»Aber du besuchst doch wenigstens deine Großmutter? Sie würde sich so freuen, das weißt du doch.«
Ted massiert sich die Schläfen. »Ein andermal, Mum. Versprochen. Aber nicht heute. Elina war den ganzen Tag allein und …«
»Deine Großmutter ebenfalls.«
Er atmet einmal tief durch. »Elina war mit einem kleinen Kind allein. Sie hat Probleme mit dem Stillen und …«
»Tatsächlich?« Erschrocken dreht sie sich vom Kaffeeautomaten, an dem sie sich zu schaffen macht, zu ihm um. »Aber wieso denn? Was ist passiert?«
»Nichts ist passiert. Er …«
»Er trinkt nicht genug? Hat er abgenommen?«
»Es geht ihm gut. Er schreit nur viel, das ist alles. Blähungen oder Koliken, glaubt Elina.«
»Koliken? Ist das etwas Ernstes?«
»Nein«, antwortet er. »Das haben viele Säuglinge. Ich hatte es wahrscheinlich auch. Weißt du nicht mehr?«
Sie widmet sich wieder dem Kaffeeautomaten. Sie schaltet ihn ein, und ihre Antwort geht im Mahlgeräusch der Bohnen unter.
»Was hast du gesagt?« Ted rutscht auf seinem Stuhl ein Stück vor. »Aber ich glaube, ich hätte doch lieber ein Glas Wasser. Das wäre toll.«
»Keinen Kaffee?«
»Nein. Wasser.«
Seine Mutter macht den Kühlschrank auf. »Stilles oder sprudelndes?«
»Hab’ ich eigentlich auch die Brust bekommen?«
»Stilles oder sprudelndes?«
»Egal. Was du da hast. Leitungswasser geht auch. Ich weiß nicht, warum du diesen Dreck überhaupt kaufst.«
»Keine Ausdrücke, Ted.«
»Und? Hab ich?«
Mit dem Rücken zu ihm sucht sie in einem Hochschrank nach einem Glas. »Hast du was?«
»Die Brust bekommen?«
»Eine Scheibe Zitrone?«
»Ja, warum nicht.«
»Eis?«
»Von mir aus. Egal.«
Sie stellt das Glas hin und fängt an, im Gefrierfach herumzukramen. »Ich hab’ deinem Vater schon vor Tagen gesagt, er soll die Eiswürfelschalen auffüllen, aber ich möchte wetten, er hat es nicht gemacht.« Sie nimmt einen ganzen gefrorenen Fisch heraus und eine Plastikbox mit einer hellen, trüben Flüssigkeit. »Da hätten wir ja die Erste«, murmelt sie. »Natürlich leer. Aber wo steckt die andere?«
»Mum, lass es gut sein mit dem Eis. Es geht auch so.«
»Da bitte ich ihn einmal, etwas für mich zu erledigen, und dann… Aha!« Sie hält triumphierend eine Eiswürfelschale hoch. »Da stehe ich hier und mache deinen Vater schlecht, und dabei hat er längst für Eis gesorgt. Siehst du?« Sie gibt drei Würfel in Teds Wasser, wo sie beim Eintauchen zerspringen. Nachdem sie den gefrorenen Fisch wieder zurückgelegt hat, reicht sie Ted das Glas.
»Danke.« Er trinkt einen kräftigen Schluck. »Also, hab ich nun die Brust bekommen?«
Seine Mutter setzt sich zu ihm an den Tisch. Sie schüttelt den Kopf, verzieht unangenehm berührt den Mund. »Leider nicht. Du warst von Anfang an ein Flaschenkind.«
»Wirklich?«
Sie springt wieder auf. »Wo hab’ich nur diese Papiere
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