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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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für dich hingelegt?«
    »Komisch«, sagt Ted, während sie einen Stapel Zeitungen vom Stuhl nimmt und wieder zurücklegt. »Heutzutage heißt es doch, dass Stillen gut fürs Immunsystem ist. Elina sagt immer, ich bin der krankheitsresistenteste Mensch, den sie kennt. Aber wenn ich nicht gestillt wurde, wäre damit eigentlich die ganze Theorie hinfällig.«

    Seine Mutter macht einen Schrank auf, sieht hinein, macht die Tür wieder zu. »Sie können doch nicht weggekommen sein. Heute Nachmittag hatte ich sie noch. Wo können sie nur …« Sie stürzt sich auf einen weißen Papierstapel. »Da sind sie ja! Ich wusste doch, dass sie hier irgendwo sein müssen.« Sie legt sie Ted hin.
    »Worum geht es dabei überhaupt?«
    »Irgendetwas Finanzielles. Eine Idee deines Vaters.«
    »Ja, aber was für eine?« Ted leert das Glas und nimmt das oberste Blatt vom Stapel.
    »Frag mich nicht, Schatz. Über solche Dinge redet er nicht mit mir. Es geht wohl um ein Treuhandkonto. Für das Kind. Man bekommt dafür vom Staat Geld zurück.«
    »Er will für das Kind ein Treuhandkonto einrichten?«
    »Ja, ich glaube. Wir machen uns nämlich manchmal Sorgen. Vor allem jetzt, wo das Baby da ist.«
    »Sorgen? Worüber?«
    »Na ja. Eure Einkünfte sind so …«
    »So was?«
    »Unzuverlässig.«
    »Unzuverlässig?«
    »Nein, nicht unzuverlässig. Unregelmäßig. Unsicher. Deshalb wollten wir für das Kind etwas anlegen, nur für den Notfall.«
    »Verstehe.« Ted verkneift sich ein Schmunzeln - und die Frage: Was für ein Notfall? »Das ist sehr lieb von euch. Hast du was zum Schreiben da?« Sie gibt ihm einen Füllhalter, und Ted setzt seine Unterschrift in das Kästchen »Einwilligung«.
    Nachdem seine Mutter ihn zur Tür gebracht hat, fängt sie noch einmal mit der Dusche, den Handtüchern und dem Besuch bei der Großmutter an.

    »Tut mir leid«, sagt Ted und drückt ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich muss weiter.«
    »Du willst doch hoffentlich nicht die ganze Strecke bis nach Gospel Oak joggen, oder?«
    Im Rückwärtsgehen winkt Ted ihr zum Abschied zu. »Nein, ich nehm’ den Bus.«
    »Den Bus? Ich kann dich doch auch fahren. Du brauchst nicht den Bus zu nehmen. Ich bringe dich hin, dann kann ich meinen Enkel …«
    »Ich nehme den Bus«, sagt Ted, der noch immer rückwärts geht, noch immer winkt. Dann bleibt er plötzlich stehen. Seine Mutter betrachtet ihn, die Türklinke in der Hand.
    »Was hast du?«
    »Erinnerst du dich …?« Er muss kurz überlegen. »Einmal kam ein Mann zu uns. Und du … Du hast ihn weggeschickt. Glaube ich. Nein, ich bin mir ganz sicher.«
    »Wann war das?«
    »Das ist schon Jahre her. Ich war noch klein. Ein Mann in einer braunen Jacke. Zerstrubbelte Haare. Ich war oben auf meinem Zimmer. Du hast dich mit ihm gestritten. Du hast gesagt - das weiß ich noch -, du hast gesagt: ›Nein, gehen Sie, Sie kommen mir nicht ins Haus.‹ Erinnerst du dich daran?«
    Sie schüttelt energisch den Kopf. »Nein.«
    »Wer könnte das gewesen sein? Bei Weggehen hat er am Haus hochgeschaut. Und mir gewinkt. Weißt du nicht mehr?«
    Ohne ihn anzusehen, tastet sie mit der Hand über die Tür, als ob sie nach Rissen im Lack sucht. »Nein, davon weiß ich nichts.«
    »Er hat mir gewinkt, als ob er …«

    »Klingt mir ganz nach einem Vertreter. Früher kamen dauernd welche an die Tür. Aufdringliches Pack.« Sie bleckt die Zähne zu einem Lächeln. »Eine bessere Erklärung fällt mir auch nicht ein.«
    »Okay.«
    »Auf Wiedersehen, Liebling. Bis bald.« Sie macht schnell die Tür zu. Ted bleibt noch einen Augenblick stehen, dann dreht er sich um und geht über die Straße.

    Elina hört Teds Schlüssel nicht im Schloss, weil das Kind wieder einmal schreit, das Fäustchen in seinen Mund gerammt, das Köpfchen an ihren Hals geschmiegt. Sie dreht im Wohnzimmer ihre Runden, mit schaukelnden, federnden Schritten, wie man sie vielleicht auf dem Mond machen würde oder im Tiefschnee. Der Kleine hat in der letzten Stunde zweimal getrunken: Er nuckelt ausgehungert los, setzt nach einer halben Minute wieder ab und schreit. Hat er Schmerzen? Ist etwas mit ihrer Milch nicht in Ordnung? Schmeckt sie ihm nicht? Stimmt etwas nicht mit ihm? Oder mit ihr?
    Elina wirft einen Blick auf das Babybuch, das auf dem Sofa liegt. Sie hat es gekauft, weil es ihr die Frau in der Buchhandlung als »die absolute Baby-Bibel« empfohlen hat. Sie hat unter »Blähungen« nachgeschlagen, unter »Schreien«, »Stillproblemen« und »Koliken«, unter

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