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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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Eingang.
    Elina hat Simmy eines Morgens in Teds Wohnzimmer kennengelernt, ungefähr einen Monat nachdem sie in die Mansarde gezogen war. Weil sie eine lange Fahrt hatte bis nach Ostlondon, wo sie unterrichtete, war sie schon sehr früh aufgestanden. Als sie nach unten kam, fand sie auf dem Sofa einen großen, übergewichtigen Mann mit rötlichen Haaren vor, der in ein unglaubliches Ensemble schmuddeliger
Klamotten gekleidet war und schlief. Sie ging auf Zehenspitzen in die Küche und setzte so leise wie möglich das Wasser auf.
    »Sag bloß, du kochst Tee?«, dröhnte eine Stimme hinter ihr her.
    Sie drehte sich um. Der Mann beobachtete sie über die Sofalehne hinweg. »Nein, Kaffee.«
    »Noch besser. Du ausgewachsener Engel, du. Könntest du unter Umständen ein Tässchen für mich erübrigen?«
    Elina konnte. Sie brachte es ihm ans Sofa und hockte sich mit ihrer Tasse auf den Teppich.
    »Himmel«, japste der Mann nach dem ersten Schluck. »Der verätzt einem ja die Kehle.«
    »Zu stark?«, fragte Elina.
    »Stark ist gar kein Ausdruck.« Er massierte sich den Hals. »Vielleicht kriege ich nie wieder ein Wort heraus. Also nutzen wir lieber die Zeit, die mir noch bleibt.« Lächelnd setzte er sich hin und wickelte die Decke um sich. »Dann lass mal hören, was du zu erzählen hast, Teds Untermieterin.«
    Als sie Ted am Abend sah - er kochte zusammen mit seiner Freundin Yvette -, erkundigte sie sich nach dem Mann auf dem Sofa.
    »Simmy?«, sagte Ted, ohne den Blick vom Wok zu nehmen. »James Simpkin, um genau zu sein. Er übernachtet manchmal bei mir - er hat seinen eigenen Schlüssel. Weil er wusste, dass ich die Mansarde vermietet habe, hat er wohl einfach auf dem Sofa gepennt. Ein Glück, dass er es nicht vergessen hatte, sonst wäre er womöglich mitten in der Nacht bei dir reingeplatzt.«
    »Hat er furchtbar laut und völlig wirres Zeug geredet?«, fragte Yvette und steckte sich eine Olive in den Mund. »Und hatte er zwei verschiedene Schuhe an?«

    »Nein, aber statt mit einem Gürtel hatte er seine Hose mit einem Bindfaden geschnürt.«
    »Lass dich nicht von seinem Äußeren täuschen«, sagte Yvette. »Seiner Familie gehört halb Dorset.«
    »Wirklich?«
    Ted kramte ein Messer aus der Schublade. »Das ist in diesem Land ein Privileg der Superreichen, dass sie wie die Penner herumlaufen können. Frag mich nicht, warum.«
    In der Ausstellung starrt Elina in die verschatteten, dunklen Augen eines berühmten italienischen Bildhauers, in die großen, schwarz umränderten Augen einer Schauspielerin aus den Fünfzigerjahren, die später wegen ihrer Drogenprobleme zu einer traurigen Berühmtheit gelangt war. Da das eingefallene Gesicht von Oliver Bernard. Und Francis Bacon, so nah, als ob er die Kamera küssen möchte. Da drei Männer mit ernsten Gesichtern, die an einer Mauer lehnen, ihre Haut ein silbriger Bromidschimmer. Ted steht vor einem Porträt von einem Mann und einer Frau. Der Mann legt locker den Arm um die Frau, in der anderen Hand hält er eine Zigarette. Die Frau ist in Schwarz gekleidet, das Haar mit einem Tuch nach hinten gebunden, dessen Enden ihr über die Schulter hängen. Der Mann schaut sie von der Seite an, aber sie sieht aus dem Bild heraus, sieht mit einem offenen, taxierenden Blick den Betrachter an. Auf dem Schild an der Wand hinter ihnen steht » elsewher «; das Ende des Wortes wird vom Kopf des Mannes verdeckt.
    Elina legt kurz die Wange an Teds Schulter, dann geht sie weiter zu einem Bild, auf dem ein Mann im weißen Hemd abgebildet ist. Er überquert eine Straße in Soho, mit einem Rinderviertel über der Schulter. Noch mehr Aufnahmen von Bacon: in seinem Atelier, auf dem Bürgersteig, neben dem Mann von dem Foto mit dem Schild und der Frau.

    Simmy taucht neben ihr auf. »Man würde nicht glauben, dass er ein unverbesserlicher Säufer war, oder?«, sagt er in dem Kasernenhofton, den er für ein Flüstern hält.
    »Ich weiß nicht«, antwortet Elina nachdenklich und sieht sich noch einmal das Foto von dem Mann an, der das Rinderviertel über die Straße schleppt. »Sie haben alle etwas sehr Direktes, findest du nicht? Etwas Melancholisches.«
    Simmy schnaubt verächtlich. »Das ist bloß, weil sie der Vergangenheit angehören. Fotos von früher kommen einem immer melancholisch und schwermütig vor, und zwar genau deshalb, weil sie etwas einfangen, was vergangen ist.«
    Elina rückt Jonahs Mütze zurecht.
    »Fummel nicht immer an ihm rum. Lass das Kind in Ruhe«, sagt Simmy. »Und wo ist

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