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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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Name.«
    »Logisch«, wirft Simmy ein. »Sonst hättest du ihn ja auch nicht ausgesucht.«
    »Und«, fährt Ted fort, ohne sich aus dem Konzept bringen zu lassen, »der Name funktioniert auf Englisch und auf Finnisch. Bei uns sagt man Jonah, und auf Finnisch spricht man ihn ›Jurnah‹ aus. Oder ›Juor-nah‹. Oder so ähnlich.«
    »›Juor-nah‹?«
    »Ich glaube.«
    »Und dann behauptest du, dass der Name auf Englisch und auf Finnisch funktioniert?«
    »Sim«, sagt Ted freundlich. »Es hat dich keiner nach deiner Meinung gefragt.«
    Schweigend konzentrieren sie sich ein paar Minuten lang auf das Mittagessen. Ted fängt wieder an, mit den Fingern auf den Tisch zu klopfen, bis die Gläser, Messer und Tassen leise vibrieren.

    »Der Name ist gut«, murmelt Simmy, der an einem Grissino knabbert. »Er gefällt mir.«
    »Danke.«
    »Und wie geht es Elina?«
    Ted hört auf zu trommeln, greift nach seiner Serviette, faltet sie ein paarmal auseinander und wieder zusammen. »Nicht schlecht.« Er runzelt die Stirn. »Sie ist … Na ja, sie ist müde.«
    Simmy nickt. »Ja. Das kann ich mir vorstellen.«
    »Wenn ich doch bloß mit diesem verdammten Film fertig wäre, dann könnte ich Urlaub nehmen.«
    »Kannst du den Rest nicht von jemand anderem schneiden lassen?«
    Ted kratzt sich am Kopf und gähnt. »Ich hab’ einen Vertrag unterschrieben. Und es ist ein wichtiger Kunde. Er würde es bestimmt nicht gern sehen, wenn ich ihn abgebe. Ich muss den Film zu Ende bringen. Das ist alles nur, weil das Kind zu früh gekommen ist. Ich sag ihr immer, sie soll sich mit ihrer Gruppe in Verbindung setzen.«
    »Ihrer Gruppe?«
    »Ja, die Geburtsvorbereitungsgruppe, oder wie sich das nennt. Der Gebärkurs. Aus dem Krankenhaus. Ich glaube, sie treffen sich einmal die Woche. Aber sie will da nicht hin.«
    »Warum nicht?«
    »Keine Ahnung.« Ted wirft die Serviette auf seinen Teller. »Weil sie mit Gruppen angeblich nichts anfangen kann.«
    »So was gibt’s doch. Irgendwie kommt mir Elina auch nicht wie ein Gruppenmensch vor.«
    »Und sie hat Angst, Jonah würde da die ganze Zeit schreien. Sie glaubt, er hat Koliken, und sie sagt, sie kann ihn nur zu Hause stillen, weil er so schreit und strampelt und zappelt,
dass ihre … na ja, dass ihre Brust raushängt, bis er sich wieder beruhigt hat, und das kann bis zu einer Stunde dauern.« Ted atmet tief durch.
    »Alles klar.« Simmy nickt. »Vielleicht komme ich am Wochenende mal vorbei.«
    Ted sieht ihn von der Seite an. »Die meisten Leute würden vorher fragen.«
    »Wozu soll ich dich um Erlaubnis bitten? Ich komme schließlich nicht deinetwegen. Ich komme wegen Elina. Und wegen des frisch getauften Jonah. Du kannst mir den Buckel runterrutschen.«
    Ted grinst. »Super.« sagt er. Er wirft einen Blick auf seine Uhr. »Ich muss los. Entschuldige, Sim.« Er steht auf, wirft ein paar Geldscheine auf den Tisch. »Also dann, bis die Tage.«
    Ted schreitet zügig aus, wie immer, mit federnden, elastischen Schritten. Unterwegs holt er sein Handy heraus und ruft Elina an.
    »Hallo … Ja … Wie geht es dir? Wie geht es Jonah? Hat er getrunken? … Ach. Wirklich? O nein. Das tut mir leid. Na, vielleicht-…Verstehe. Okay… Ich war gerade mit Simmy essen. Ja. Ich hab ihm das mit dem Namen erzählt, und er meinte-…Ach. Okay. Dann bis später.« Er klappt das Handy zu, betritt das Gebäude der Produktionsfirma. Im Lift starrt er die nacheinander aufleuchtenden Zahlen an. Als er in seinem Büro angekommen ist, lässt er sich auf den Stuhl fallen. Er ordnet ein paar Papiere auf dem Schreibtisch, steckt sich einen Stift hinters Ohr, legt ihn wieder hin, trinkt einen Schluck Wasser aus einer Plastikflasche, stellt den Stuhl anders ein, schüttelt sein rechtes Handgelenk aus und fängt an zu arbeiten.
    Er hat zwei Bildschirme vor sich: Beide zeigen das Standbild
eines taumelnden Mannes am Rand eines Daches, der im nächsten Augenblick in den Abgrund stürzen wird.
    Ted schiebt die Maus über den Tisch, drückt die Tasten - schnelle Viertel- und Achtelnoten -, und der Film bewegt sich langsam weiter, Einzelbild um Einzelbild, im Zeitlupentempo. Die Füße des Mannes lösen sich von der Kante, er kippt mit dem ganzen Körper nach vorn, den zerbrechlichen Schädel voraus, er rudert mit den Armen, seine Kleidung flattert im Wind. Wir können sein Gesicht nicht sehen, als er an der Kamera vorbei in die Tiefe fällt, aber wir können es uns vorstellen, starr vor Schreck, den Mund weit aufgerissen. Und wir

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