Die Hand die damals meine hielt - Roman
Jonah an seine Schulter. »Ich geh’ in den Museumsladen.« Ihm ist plötzlich eingefallen, dass er noch eine Postkarte aus der Ausstellung kaufen wollte.
B ei elsewhere herrschte Hochbetrieb - Lexie hatte Innes überredet zu expandieren, um mehr Werbung hereinzubekommen. Sie erhöhten die Zahl der Artikel und druckten nicht mehr auf minderwertigem Mattpapier. Die Seiten waren glänzend und leicht körnig, die Fotos größer. Als erste Kulturzeitschrift überhaupt hatten sie kürzlich sogar ein eigenes Ressort für Rock’n’ Roll geschaffen. Lexie hatte sich über Innes’ Bedenken hinweggesetzt und einen Kritiker aufgetrieben, einen jungen Mann, der am Royal College of Music Gitarre studierte. Die Zeitschrift war für ihre Zeit revolutionär. Da sie aber leider mit derselben Mitarbeiterzahl wie vorher auskommen mussten, standen sie ständig unter Druck und saßen abends meistens bis nach zehn an ihren Schreibtischen. In diesem Winter waren alle krank, die einen mehr, die anderen weniger. Einer von ihnen hatte sich eine Erkältung eingefangen und die übrigen damit angesteckt. In der Redaktion herrschte ein einziges Niesen, Schniefen und Husten.
Lexie musste an diesem Tag nach Oxford, um einen Dozenten zu interviewen, der einen erstaunlich gewagten Schlüsselroman über das Leben und Treiben in den heiligen Hallen der Gelehrsamkeit geschrieben hatte: ergraute Professoren und bebende Jungstudentinnen. Hektisch kramte sie ihren Stift, einen Schreibblock und ein Exemplar des
Romans für die Zugfahrt zusammen. Bevor sie hinauseilte, blieb sie noch kurz bei Innes stehen, der gebückt über einer Fahnenkorrektur saß und sich die Ohren zuhielt. (Er sagte immer, bei dem Tohuwabohu in der Redaktion könne er sich nicht konzentrieren.)
»Wiedersehen.« Sie küsste ihn auf die Hand.
Er richtete sich auf und hielt sie zurück. »Wo willst du hin?«
»Nach Oxford. Weißt du nicht mehr?«
Er tippte sich mit dem Füllhalter an die Zähne. »Doch, doch«, sagte er. »Zu dem geilen Gelehrten. Viel Glück. Und pass bloß auf, dass auch immer schön ein Schreibtisch zwischen euch steht.«
Sie lächelte und gab ihm einen Kuss auf den Mund. »Wird gemacht.« Dann legte sie ihm besorgt die Hand an die Wange, fühlte seine Stirn. »Du bist ja glühend heiß«, sagte sie. »Ob du vielleicht Fieber hast?«
Er schüttelte sie ab. »Es geht mir gut, Weib. Hebe dich hinweg«, antwortete er hustend.
»Innes, meinst du nicht …?«
Er beugte sich wieder über die Fahnen. »Fort mit dir zum Hort des Geistes. Und komm mir heil wieder.«
Lexie drehte sich zu Laurence und Daphne um, die am anderen Ende des Zimmers gemeinsam über einem Artikel brüteten. »Passt ihr ein bisschen auf ihn auf?«, fragte sie. »Schickt ihn nach Hause, wenn es es ihm schlechter geht.«
Laurence hob den Kopf. »Machen wir«, sagte er. Beruhigt wandte sie sich zum Gehen. Als sie von der Tür aus noch einmal zurücksah, zündete sich Innes gerade eine Zigarette an, hängte sich seine Jacke über die Schultern und strich im Text eine Zeile durch.
Mit den Einzelheiten von Lexies Fahrt nach Oxford brauchen wir uns nicht länger aufzuhalten, weder bei dem
aufgeblasenen Ego des Dozenten noch bei seinen plumpen Zudringlichkeiten. Dass ihr Zug auf der Rückfahrt Verspätung hatte und sie unterwegs schon einmal die Schilderung seiner Annäherungsversuche probte, weil sie sich schon darauf freute, Innes brühwarm davon zu erzählen, braucht uns im Detail ebenfalls nicht weiter zu interessieren. Sie sah sich mit ihm im Bett liegen, dem einzigen warmen Ort in der Wohnung in jenem Januar. Sie würde ihm heißen Whisky mit Honig einflößen, ihn warm zudecken und dafür sorgen, dass er sich ausruhte.
Obwohl es schon später Abend war, als sie in London ankam, fuhr Lexie als Erstes in die Redaktion, weil sie wusste, dass er dort auf sie warten würde. Es herrschte dichter Nebel. Auf dem Weg von der U-Bahnstation in die Bayton Street hätte sie sich ein paarmal fast verlaufen, und die Haare hingen ihr feucht ins Gesicht. Als sie vor dem Haus stand und durch das Fenster blickte, saß nur Laurence an seinem Schreibtisch. Innes’ Platz war leer. Sie war froh, denn das musste bedeuten, dass er nach Hause gegangen war.
Aber als sie hereinkam, sprang Laurence sofort auf und schnappte sich seine Jacke.
»Mein Gott, was für ein Tag«, sagte sie. »Ich …«
Laurence fiel ihr ins Wort. »Lexie, Innes ist im Krankenhaus.«
Eilig besprachen sie ihre finanzielle Lage. Lexie
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