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Die Hand

Die Hand

Titel: Die Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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und Enden, aus allen Fugen und Ritzen nach Fisch roch und dessen acht Zimmer vollgestopft waren mit präparierten Pflanzen aller Art und Größen. Zum Erbe gehörte ferner ein riesiger Garten, ein kleiner Motorkutter und die feste Überzeugung sämtlicher 469 Einwohner von Wilkesham, daß der alte Jonas zwar ein lieber, aber auch ein recht wunderlicher Zeitgenosse gewesen war.
    Die Tatsache, daß der fünfzehn Jahre jüngere Bruder William, statt das Anwesen zu verkaufen, London verlassen und selbst in Wilkesham einziehen wollte, hatte unter der großstädtischen Verwandtschaft wie eine Bombe eingeschlagen. Und im Stadtteil Norwood, Starplace, Hausnummer 14, heulte ein Junge namens Dicki Miller fünf Nächte lang sein Kopfkissen naß. Denn in seiner Gunst rangierte Großvater Miller ganz oben.
    Es hatte Perry Cliftons ganzer Rede- und Überzeugungskunst bedurft, Dicki klarzumachen, daß ein Großvater mit Haus und eigenem Motorboot im fernen Schottland besser sei als ein Großvater mit nur einer kleinen Wohnung in London.
    Schließlich gäbe es im Jahr ja einige Male Ferien...
    Daß Dicki mittlerweile begeistert von Großvaters Domizil war, bewiesen seine Zeilen, die Perry Clifton jetzt überflog. Dicki überschlug sich förmlich in seiner Beschreibung von Großvater Millers Haus am Meer. Perry Clifton lächelte zufrieden.
    Dann öffnete er Mister Millers Brief, und je länger er las, desto interessierter wurde er. Nach der Lektüre war er so in Gedanken versunken, daß es eines dreimaligen Klingelns an seiner Tür bedurfte, um ihn in die Wirklichkeit zurückzurufen...
    Es war Julie, die ihn jetzt aus ihren braunen Augen vorwurfsvoll anfunkelte. „Es ist eine Schande“, keuchte sie und holte erst einmal tief Luft, weil sie völlig außer Atem war. „Es ist eine Schande, daß ein berühmter Detektiv in einem Haus wohnt, das keinen Aufzug besitzt, und daß dieser Detektiv einen dann noch vor seiner Tür warten läßt, nachdem man sich unter Aufbietung seiner letzten Kräfte vier Stockwerke bis zu ihm hochgequält hat. Julie Young bittet um einen Stuhl.“
    Perry war immer noch halb geistesabwesend, so daß er nicht wie üblich auf Julies scherzhaft gemeinten Angriff einging. „Entschuldige bitte, Julie, ich hätte dein Klingeln fast überhört. Bitte, setz dich.“
    Julie ließ sich erschöpft in einen Sessel plumpsen und seufzte, wobei sie in gespielter Entrüstung einen Augenaufschlag hinlegte: „Das sind ja tolle Aussichten. Noch nicht einmal verheiratet, aber schon einsam vor der Wohnungstür des Angebeteten vergessen.“
    „Trag’s mit viel Geduld, Liebling“, sagte Perry jetzt heiter. „Hör zu, ich will dir einen Brief vorlesen. Du würdest nie erraten, wer der Absender ist.“
    Julie zog die Nase kraus, wie immer, wenn sie überlegte. „Normalerweise würde ich auf deinen Freund Dicki tippen. Aber da dich der Brief anscheinend so aus der Fassung gebracht hat, bin ich mir nicht ganz sicher.“ Perry lachte: „Gut beobachtet, Julie. Ich glaube, du würdest eine gute Detektivin abgeben. Aber du liegst nicht einmal so falsch. Der Brief ist von Dickis Großvater. Hör zu, was er schreibt:

    Lieber Mister Clifton,
    ich sehe direkt Ihr erstauntes Gesicht vor mir. Post vom alten Miller... werden Sie denken. Was will der alte Krauskopf im fernen Schottland von mir? Ob vielleicht was mit Dicki ist?
    Aber nein. Dicki geht es gut wie immer, wenn er in Wilkesham ist. Sicher hat er Ihnen ja bereits geschrieben. Es ist etwas ganz anderes, was mich beschäftigt. Und Dicki weiß noch gar nichts davon. Er weiß auch nichts von meinem Brief. Ich möchte nämlich nicht, daß er beginnt, hier Sherlock Holmes zu spielen. Und damit sind wir fast schon beim Thema.
    Lieber Mister Clifton, obwohl wir uns bisher kaum ein halbes dutzendmal begegnet sind, bin ich durch Dickis Schilderungen und briefliche Erfolgsmeldungen weitgehendst über Ihr Leben unterrichtet. Ich weiß also auch seit vielen Jahren, welch genialer Detektiv Sie sind ...“

    Perry wurde an dieser Stelle von einem höchst provokativen Räuspern Julies unterbrochen: „Mmhmmh...“
    Betont ernst blickte er Julie an: „Aber Julie, ich stimme in diesem Punkt völlig mit Mister Miller überein.“
    Julie platzte heraus: „Lies weiter, du eitler Fährtensucher.“
    Perry wiederholte die letzten Worte noch einmal:

    „... welch genialer Detektiv Sie sind. Ich selbst bin kein Detektiv, obgleich sich Dicki alle Mühe gegeben hat, mich in die Kunst der Kriminalistik

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