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Die Hand

Die Hand

Titel: Die Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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Mister Clifton, dann werde ich mich heute nacht noch mal in mein Boot klemmen und ein bißchen die Bucht im Auge behalten. War lange nichts los.“
    „Tun Sie das, aber seien Sie vorsichtig... Wer ist eigentlich Mitchel Hook, mit dem ich mich trösten soll?“
    „Ein Mann, der dreihundert Meter tief in eine Felsspalte stürzte und sich dabei nur ein Bein und einen Arm brach.“
    „Ein toller Trost.“
    „Na ja, er fand doch dadurch den verschwundenen Schatz des Grafen York. Er fiel sozusagen mitten drauf... Vorsicht, ich höre Dicki kommen, der weiß noch nichts von Ihrem Besuch... Also, Mister Coverty, dann werde ich eben noch ein bißchen Geduld haben. Wann schätzen Sie, könnte ich mit Ihrem Eintreffen rechnen?“
    „Ich werde in Glasgow übernachten und bei Tagesanbruch weiterfahren. Wenn nichts dazwischenkommt, bin ich zwischen zehn und elf Uhr bei Ihnen.“
    „Fein, Mister Coverty, ich freue mich schon...“ „Ach, Mister Miller“, bat Perry, „sagen Sie Dicki heute dreimal folgenden Satz: ,Ein Spiel bleibt ein Spiel, doch in London wird an einem Ort das Spiel der Großen und Kleinen Realität/“
    Perry war innerlich ganz ruhig und freute sich auf die schöne Fahrt durch eine Landschaft, die noch Ursprüngliches ausdrückte und in ihrer Herbheit etwas vom Entstehen dieser Erde verriet: Glasgow, arm und reich, geziert von architektonischen Gegensätzen. Eine Stadt, die aus dem Handel mit Amerika gewachsen war. Viktorianische Baukunst und Industrie raubten sich hier nicht gegenseitig den Raum, sondern versprühten Vitalität. Wenn er an das Berg- und Hügelland dachte, zog Perry genüßlich an seiner Pfeife. Zerrissene Küsten und tief eingeschnittene Täler erwarteten ihn, eine Landschaft, geschliffen vom Wind wie ein Edelstein. Und dann dachte er ans Hochland und das Meer, die Schattenspiele der Sonne und Wolken über den vielen Grüntönen des durch den Wind an den Boden gedrängten Pflanzenwuchses.

    Eine halbe Stunde nach diesem Telefonat zwischen William Miller und Perry Clifton, also gegen 19 Uhr 20, fand in einem verborgenen Raum eines Hauses in der Nähe von Wilkesham eine andere Unterredung statt, die nicht für fremde Ohren gedacht war und deshalb sehr geheimen Charakter hatte. Der Raum war mit vier Feldbetten, einer Kochnische, einer gepolsterten Bank, einigen Stühlen und einem massiven Bauerntisch ausgestattet.
    Darüber hinaus gab es eine Duschkabine mit warmem und kaltem Wasser, ein Fernsehgerät und ein Radio.
    Nur eines gab es nicht: ein Fenster, durch das Tageslicht fallen oder durch das man frische Luft hereinlassen konnte. Das Licht ersetzte eine nackte 100-Watt-Glühbirne an der Decke.
    In diesem Raum befanden sich zur Zeit Alan Gilman, Ritchie Carryl, Bob MacDorson, Miles Gordwell und ein fünfter Mann, den die anderen Doktor nannten. Er war etwa 52 Jahre alt, 1,73 groß und hatte einen weißen Haarkranz um seinen sonst schon kahlen Kopf. Im Moment setzte der Doktor eine sorgenvolle Miene auf, was Miles Gordwell zu der Bemerkung veranlaßte: „Was ist los, Doktor, warum siehst du so bedrückt aus?“
    „Weil ich gerade erfahren habe, daß heute nacht nicht zehn, sondern dreißig Mann übernommen werden müssen.“
    Miles drehte spontan das Radio ab, aus dem schottische Folklore dudelte, während die anderen aufgeregt durcheinanderredeten.
    „Das ist ja Wahnsinn.“ Das kam von Alan Gilman. „Auf keinen Fall. Das ist viel zu riskant.“ Das war Ritchie Carryl.
    Bob MacDorson erregte sich: „Was denkt sich der Boß dabei eigentlich? Sollen wir um jeden Preis auffallen? Ohne mich.“
    Miles Gordwell stoppte das Stimmengewirr mit einer Handbewegung:
    „Ruhe, Jungs, hören wir erst einmal den Grund für diese Maßnahme.“
    Zum Doktor gewandt, sagte er: „Das würde bedeuten, daß wir dreimal zum Schiff raus müssen.“
    „Leider.“
    „Aber du sagtest doch selbst, Doktor, mehr als eine Fahrt pro Nacht sei nicht möglich, weil sonst deine Tochter Verdacht schöpft.“
    Der Doktor nickte. „Das ist schon richtig, aber ich habe Nancie nach Edinburgh geschickt, mit einem angeblich sehr wichtigen Manuskript, das sie persönlich bei meinem Verleger abgeben muß. Sie wird daher erst morgen abend wieder zurück sein. Aber das ist es gar nicht, was mir Sorgen bereitet.“
    „Sondern?“ fragten Alan und Ritchie gleichzeitig.
    „Die Tatsache, daß wir zehn der Männer für einige Tage hierbehalten müssen.“
    Miles Gordwell fuhr hoch, als hätte er sich auf einen Nagel gesetzt.

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