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Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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Verbindung eingefallen? Keine mögliche Bedeutung?«
    »Nichts. Bloß völlig alberne Dinge. Bei einem Therapeuten musste ich mal einen Test mit zwanzig Fragen ausfüllen, um rauszufinden, ob ich ein Alkoholproblem habe, und ich hatte neunzehn Punkte. Meine erste Frau war neunzehn bei unserer Hochzeit. Solches Zeug - zufällige Assoziationen, die kein Mensch voraussagen könnte, auch wenn er mich noch so gut kennt.«
    »Aber er hat es vorausgesagt.«
    »Das macht mich ja so verrückt! Schau dir doch die Fakten an. In meinem Briefkasten landet ein verschlossener
Umschlag. Davon erfahre ich durch einen Anrufer, der mich auffordert, mir eine beliebige Zahl zu denken. Ich denke mir die Neunzehn. Ich gehe zum Briefkasten, um den Umschlag zu holen, und was finde ich darin? Einen Brief, in dem die Zahl neunzehn genannt wird. Genau die Zahl, die mir eingefallen ist. Genauso gut hätte mir auch zweiundsiebzigtausendneunhunderteinundfünfzig einfallen können. Aber es war neunzehn, die Zahl, die in dem Brief steht. Du sagst, außersinnliche Wahrnehmung ist Quatsch, aber wie willst du das sonst erklären?«
    Gurney schlug einen ruhigen Ton an, der in bewusstem Gegensatz zu Mellerys Aufregung stand. »In unserer Vorstellung von den Ereignissen fehlt ein Baustein. Wir betrachten das Problem auf eine Weise, die uns zu einer falschen Frage veranlasst.«
    »Und was wäre die richtige Frage?«
    »Sobald ich draufkomme, erfährst du es als Erster. Aber ich garantiere dir, dass sie nichts mit außersinnlicher Wahrnehmung zu tun hat.«
    Mellerys Kopfschütteln glich eher einem Schaudern als einer bewussten Geste. Erst dann schien er plötzlich die Rückseite des Hauses und die Terrasse wahrzunehmen. Anscheinend wusste er nicht, wie er hierhergekommen war.
    »Gehen wir rein?«, schlug Gurney vor.
    Mellery kam wieder ein wenig zur Besinnung und stutzte. »Das hab ich ja ganz vergessen - tut mir leid. Caddy ist heute Nachmittag zu Hause. Ich kann nicht … ich meine, es wäre besser, wenn … Also, was ich sagen will, ich kann Dermott nicht gleich anrufen. Ich muss sehen, wie es sich ergibt.«
    »Aber heute noch, okay?«
    »Ja, ja, natürlich, sobald es passt. Ich melde mich, sobald ich mit ihm gesprochen habe.«

    Gurney nickte. In den Augen seines Gegenübers las er die Furcht vor dem Auseinanderbrechen seines Lebens.
    »Eine letzte Frage, bevor ich fahre. Gerade habe ich gehört, wie du mit Justin über ›interne Dichotomien‹ geredet hast. Mich würde interessieren, was darunter zu verstehen ist.«
    »Dir entgeht nicht viel.« Mellery runzelte leicht die Stirn. »Dichotomie bezeichnet eine Spaltung, eine Dualität innerhalb einer Sache. Ich benutze den Begriff, um unsere inneren Konflikte zu beschreiben.«
    »Du meinst so was wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde?«
    »Ja, aber es geht viel weiter. Menschen sind voller innerer Konflikte. Sie prägen unsere Beziehungen, lösen unsere Frustrationen aus, ruinieren unser Leben.«
    »Kannst du mir ein Beispiel geben?«
    »Hundert, wenn du willst. Der simpelste Konflikt ist der zwischen unserem Selbstbild und unserem Bild von anderen. Wenn wir uns streiten und du mich anbrüllst, sehe ich die Ursache in deiner Unfähigkeit, deinen Zorn zu zügeln. Wenn ich dich hingegen anschreie, sehe ich die Ursache nicht in meinem Zorn, sondern in deiner Provokation - etwas von deiner Seite, worauf mein Brüllen eine angemessene Reaktion darstellt.«
    »Interessant.«
    » Meine Probleme werden durch meine Situation erzeugt, aber deine Probleme werden durch deine Persönlichkeit erzeugt - auf diese fundamentale Unterscheidung sind wir irgendwie alle geeicht. Das führt natürlich zu Problemen. Mein Wunsch, alles nach meinen Vorstellungen zu regeln, ist sinnvoll, während dein Wunsch, alles nach deinen Vorstellungen zu regeln, infantil erscheint. Der Tag wäre besser, wenn ich mich besser fühlen würde und du dich besser benehmen würdest. Die Art, wie ich
die Dinge sehe, ist richtig. Die Art, wie du die Dinge siehst, ist verdreht.«
    »Ich verstehe, was du meinst.«
    »Aber das ist erst der Anfang, nur ein Kratzen an der Oberfläche. Unser Bewusstsein besteht aus einer Unmenge von Widersprüchen und Konflikten. Wir lügen, damit andere uns vertrauen. Wir verstecken uns, um Intimität zu erleben. Wir jagen dem Glück auf eine Art nach, die das Glück vertreibt. Wenn wir Unrecht haben, kämpfen wir besonders zäh, um zu beweisen, dass wir Recht haben.«
    Gepackt vom Inhalt seines Lehrprogramms, sprach Mellery mit

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