Die Hazienda des Gluecks
Schulmädchen, das man bei einem dummen Streich ertappt hat. Sie musste schlucken, weil ihr die Kehle auf einmal wie ausgedorrt war. "Wer ist das, Carmen? Sie ist sehr schön, und ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, einen Blick auf das Porträt zu werfen ..."
"Die Senora ist neugierig, wie?" Carmen kam langsam näher und sah über Colettes Schulter hinweg auf das Bild. "Wirklich eine echte spanische Schönheit von ihren schmalen, wie aus Elfenbein geschnitzten Fesseln bis zu ihrem wie Seide glänzenden Haar. Sehen Sie, wie ihre Augen vor Lebenslust sprühen? Ist die Senora eifersüchtig auf soviel Heiterkeit und Leidenschaft? Ist sie eifersüchtig auf die Frau, die Don Diablo geliebt haben könnte, während er das hellhäutige Mädchen aus England nur begehrt?" Carmen lachte verächtlich auf.
"Also hat es jemanden gegeben, dem seine Liebe galt", murmelte Colette. "Wo ist sie jetzt? Wissen Sie es?"
"Sie ist tot, Senora. Sechs Jahre ist es her, seit sie dem Lachen und der Liebe für immer Lebewohl sagte. Don Diablo war untröstlich, wissen Sie das nicht? Als es geschah, galoppierte er auf seinem Lieblingspferd davon. Er ritt das Tier, bis es zu Boden stürzte und erschossen werden musste. Er sprach tagelang mit keiner Menschenseele, und beim Begräbnis fürchteten alle, er werde sich in das offene Grab werfen."
Die alte Dienerin sah von dem Bild zu Colette, und ein spöttischer Ausdruck glitt über ihr Gesicht. "Wie kann er Sie jemals lieben, wenn er eine solche Göttin vorher geliebt hat? Er macht sich nichts aus Ihnen, Sie sind nur ein Mittel zum Zweck. Durch Sie wird er einen Sohn bekommen. Deshalb begehrt er Ihren Körper. Ich spreche die Wahrheit, das wissen Sie doch, nicht wahr, Senora? Ich weiß zuviel von den Gefühlen der Männer für Frauen, um nicht zu erraten, was er von Ihnen will."
Ein dunkler, gekrümmter Finger bohrte sich Colette plötzlich in den Magen. "Sie sind jung, hübsch und gesund. Ja, Sie sehen gebärfreudig aus. Nette, kleine Jungfrauen bekommen die schönsten Babys. Er weiß, dass es Zeit für ihn ist, sein Erbe zu sichern. Herren von seinem Stand nehmen meist Frauen aus gutem Haus oder Klosterschülerinnen. Aber die Frauen, die sie lieben, kommen entweder aus dem Himmel oder aus der Hölle, und die Erinnerung an sie bleibt haften wie ein Duft, der nie vergeht."
Carmen verstummte, und Colette wusste, dass jedes Wort von dem wahr war, was ihr die alte Frau gerade erzählt hatte. Sie legte die silbergerahmte Fotografie wieder in ihr Versteck zwischen den Sachen zurück. Sie nahm die Badehose, ihr eigenes Schwimmzeug und das orangefarbene Handtuch. Er würde sicher schon ungeduldig werden. Hastig eilte sie die Treppe hinunter.
"Es tut mir leid", rief sie ihm zu, als sie ihn neben dem silberglänzenden Auto warten sah.
"Die alte Carmen hat mich aufgehalten. Puh, ist das heiß in der Sonne!"
"Du solltest dich bei diesen Temperaturen nicht so abhetzen, und wo hast du deinen Hut gelassen? Du wirst ihn brauchen!"
"Ich - ich habe ihn vergessen. Es macht nichts - ich kann mir ja einen neuen kaufen, wenn wir zu den Geschäften kommen." Wenn jetzt nur nichts mehr ihre Abfahrt verzögerte. Sie brannte förmlich darauf, in die Stadt zu kommen, Menschen und Geschäfte zu sehen und danach in den Fluten des Meeres unterzutauchen.
Als er sah, wie sehr sie außer Atem war, nahm er sie in die Arme und sah ihr tief in die Augen. "Du bist so aufgeregt wie ein kleiner Vogel, der in einem Käfig hin und her flattert. Ist dieser kleine Ausflug denn so etwas Besonderes für dich?"
"Ja!" Sie strich sich mit einer hastigen Handbewegung das Haar aus der Stirn zurück.
"Wenn du mir diese kleine Unterbrechung nicht gegönnt hättest, wäre ich noch verrückt geworden. Was glaubst du denn, was ich hier unter deinem Dach für ein Leben führe! Tag und Nacht beobachtest du mich, du befiehlst mir, was ich tun soll, was ich anziehen soll - ich bin dir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, und du willst nichts weiter von mir als ..."
Sie brach ab, denn sie hätte sich nur selbst damit gequält, wenn sie ihre Gedanken in Worte gefasst hätte. Es war schon schlimm genug, dass die alte Carmen so plastisch ausgedrückt hatte, was für eine Rolle sie in den Plänen Don Diabios spielte. Ihre Aufgabe bestand nur allein darin, ihm einen männlichen Erben zu schenken, dem einmal seine ausgedehnten Ländereien und sein Vermögen gehören würden. Man musste eine Frau nicht lieben, wenn sie ein Kind bekommen sollte.
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