Die Hebamme von Venedig
beidseitig über die Wangen hingen. Selbst aus den Ohren der Alten spross es.
Jacopo keuchte vor Anstrengung und sah sich neugierig auf dem Dach um, das kaum groß genug für zwei Personen und das Tuch mit den rot schimmernden Apfelstücken war. Hannah rieb sich mit der Schürze den Schweiß von der Stirn und erhob sich, um den Bruder des Conte zu begrüßen.
»Guten Morgen, Signore. Kommt erst mal wieder zu Atem.«
»Ja, eine ihrer Nachbarinnen hat mir gesagt, dass ich sie hier finde.«
Wenn sie sich beide setzten, würden sie für die Leute unten auf dem Campo nicht zu sehen sein, aber sie konnte ihm keinen Stuhl anbieten. Zu ihrer Enttäuschung schien er bis auf den bestickten Mantel, den er sich über die Schulter gelegt hatte, nichts dabeizuhaben.
Jacopo stand ein gutes Stück von der niedrigen Brüstung des Daches entfernt und betrachtete einen Moment lang die durchhängende Wäscheleine voller Bettzeug und das Fass Waschwasser, das von Fliegen umschwirrt war. »So ist es also im Ghetto. Wie hoch über dem Campo sie hier ist. Da wird mir ganz schwindlig.«
»Geht es Matteo gut?«, fragte Hannah ängstlich.
»Der ist munter wie ein Floh und hat Hunger wie ein Steinmetz.«
»Und die Contessa? Wie geht es ihr?«
»Sie hustet nachts. Hat Fieber und ist so rot, dass man denken könnte, sie kommt gerade von einem Spaziergang auf dem Land. Hat kaum Luft, krallt sich an die Decke und redet wie eine Frau, die vom Teufel besessen ist. Manchmal höre ich den Conte nachts bei ihr, wie er sie hochhebt, damit sie Luft bekommt, und ihr die Schale hält.«
»Das tut mir leid.«
Ganz sicher war er nicht gekommen, um ihr über die Gesundheit der Familie Bericht zu erstatten. Sie wartete und fragte schließlich: »Was für einem Anlass verdanke ich das Vergnügen Eures Besuches?«
»Mein Bruder schickt mich«, antwortete Jacopo. »Sie soll heute Abend zum Essen kommen und ihr Amulett abholen.«
Hannah war einen Moment lang sprachlos. Es war ungewöhnlich, dass Juden und Christen zusammen aßen. Ihre Arbeit im Palazzo war getan. Sie hatte keine gesellschaftliche Verbindung zur Familie des Conte, sondern für sie gearbeitet, ganz wie ein Hauslehrer oder vielleicht eine vertraute Zofe.
Aber als sie sich wieder gefasst hatte, sagte sie: »Es wird mir eine Ehre sein«, und wollte schon hinzufügen: Es gibt da noch etwas, das mir Sorge bereitet , entschied sich dann jedoch anders und beschloss, das Thema der Geburtslöffel bis zum Abend warten zu lassen.
Jacopo hob die Hand über die Augen, um sie vor der grellen Sonne zu schützen. »Das hier ist so ein interessanter Teil der Stadt. Ich kann die Läden der Geldverleiher und den Metzger sehen. So hoch oben fühle ich mich wie ein Vogel.« Er stemmte die Hände in die Seiten und betrachtete das Obst auf dem Leintuch. »Sie wird die Apfelstücke in ein paar Stunden wenden müssen, sonst erreicht die Sonne nicht alle Stellen, und sie verderben.«
Sie wartete, dass er wieder zur Sache kam, die sicher nichts mit der malerischen Szenerie des Ghettos oder guten Ratschlägen zum Trocknen von Obst zu tun hatte. Was immer er noch sagen wollte, schien ihm offenbar Unbehagen zu bereiten. Endlich sagte sie: »Es ist wirklich eine große Ehre für mich, zum Essen eingeladen zu werden.«
»Ich überbringe die Einladung persönlich, weil ich etwas mit ihr besprechen will. Sehe sie mich nicht so überrascht an. Ich habe etwas gefunden, das, wie ich glaube, ihr gehört. Zusammen mit ihrem Amulett hat sie ein merkwürdiges Instrument bei uns zurückgelassen.«
Er griff in den Mantel, den er über der Schulter hängen hatte. Sie sah das vertraute Silber.
»Oh, danke.« Hannah streckte die Hand aus, Erleichterung erfüllte sie, aber Jacopo gab ihr die Geburtslöffel nicht zurück.
»Das habe ich unter dem Bett der Contessa gefunden, als ich mich bückte, um ein Taschentuch aufzuheben. Ich nehme an, sie hat dieses Ding bei der Niederkunft meines Neffen benutzt?«
»Ja, aber …«
»Wie unvorsichtig, es einfach zurückzulassen. Sie muss begreifen, wie gefährlich so etwas ist, wenn es in die Hände gewisser Leute gerät. Zu denen ich nicht gehöre, wie ich schnell hinzufügen möchte. Ich bin ihr so dankbar wie der Conte. Sie hat meinen Neffen gerettet. Ich würde sie gern vor allem Schaden bewahren, der sie infolge ihrer großzügigen Tat ereilen könnte.«
»Das ist sehr großmütig von Euch. Ich dachte, vielleicht …«
»Jemand von der Dienerschaft hätte es finden können. Eine
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