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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberta Rich
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war etwas an seinem ausweichenden Blick, das Isaak besorgt machte. »Ist das alles? Dass es ihr gut geht?«
    Als Hector darauf nichts sagte und das Schweigen Besorgnis erregend lang wurde, fragte Isaak: »Was ist mit mir? Hat er einen Preis für meine Freilassung vereinbart? Für wie wertvoll halten die Ritter den Kopf eines vom Heimweh geplagten Händlers?«
    »Ich sollte ihn warnen, dass es eine Schwierigkeit gibt.« Hector wedelte mit seinen schlanken Händen – er hatte lange, spitz zulaufende Finger –, als wollte er sich Luft zufächeln, obwohl es gar nicht so heiß war. »Zuerst will ich sagen, dass die Gesellschaft größtes Mitgefühl mit seinem Leiden hat.«
    Isaak nickte.
    »Aber zur Sache«, fuhr Hector fort. »Im letzten Winter wurde ein Schiff mit fünfundsiebzig Juden, Männern, Frauen und Kindern, auf dem Weg nach Saloniki gekapert, und die Gesellschaft hat jeden Einzelnen von ihnen ausgelöst und zurück zu seiner Familie gebracht.«
    Isaaks rechtes Knie machte sich selbständig und hüpfte unkontrollierbar auf und ab. Er legte die Hände darum und hielt es fest. »Ich bin froh, das zu hören.« Aber er war nicht froh. Er fragte sich, warum Hector ihn nicht ansehen wollte. »Die Gesellschaft erfüllt ihre Pflicht, wie sie es sollte. Was ist mit meiner Freilassung?«
    »Bevor wir dazu kommen …« Hector zog einen blauen Samtbeutel unter dem Arm hervor, in den hebräische Buchstaben gestickt waren, und gab ihn Isaak. »Ich habe ihm einen Gebetsschal, eine Jarmulke und einen Tefillin mitgebracht. Benutze und behandle er die Sachen gut. Sie waren nur schwer zu bekommen.«
    »Danke, er ist sehr freundlich. Mir geht es aber vor allem darum, diese Insel zu verlassen. Wie stehen meine Chancen?« Gestern erst hatte er im Meer gebadet, so würden seine neuen Gebetsutensilien wenigstens nicht gleich verlaust werden.
    »Ich will es so einfach ausdrücken, wie ich kann: Die Kasse der Gesellschaft ist leer. Es gibt nicht einen Scudo für seine Freilassung. Die Kaperung des Schiffes nach Saloniki, das war beispiellos.«
    Isaak wünschte, dass ihn dieser Mann endlich ansähe, damit er seinen Gesichtsausdruck lesen konnte. »Ich verstehe, die Sache verzögert sich. Aber wann werden die Verhandlungen beginnen? Wie lautet die Absprache? Mit dem Leben eines Juden wird, wie ich annehme, nicht anders gehandelt als mit einem Ballen Seide oder einem Sack Pfeffer. Er fragt die Ritter nach dem Preis und tut empört. Darauf senken sie den Preis ein wenig, und so geht es hin und her und hin und her, und bald schon …«, er schnipste mit den Fingern, »ist eine Summe festgelegt, die beide Seiten jammern lässt.«
    »Ich glaube nicht, dass er mich richtig versteht. Es gibt kein Verhandeln, weil es kein Geld gibt.« Endlich sah Hector ihn an. »Ganz einfach: Die Kuh gibt keine Milch mehr.«
    Isaak versuchte, sich zu beruhigen. »Eine Kuh lässt sich ersetzen. Die Gesellschaft hat im Moment kein Geld, das verstehe ich ja. Aber jeder Händler zahlt einen festen Tarif in ihre Kassen, wenn ein Schiff mit Juden an Bord den Hafen von Venedig verlässt. Die Dukaten werden schon wieder hereinkommen.«
    Hector beugte sich zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Genau, er hat recht, so finanziert sich die Gesellschaft, aber sie ist auf Jahre verschuldet, und es wird ewig dauern, bis die Summe zusammen ist, um sein Lösegeld zu zahlen.« Hector hob einen Weidenzweig vom Boden auf und wollte ganz offenbar nicht mehr dazu sagen.
    »Natürlich wusste ich, dass ich nicht über Nacht freikommen würde, aber damit habe ich nicht gerechnet.« Isaak stand auf. »Sieh er mich an. Ich habe kein Fleisch mehr am Hintern. Für den Augenblick ist es mir gelungen, meinen Besitzer zu überreden, mich nicht als Galeerensklave in den Tod zu schicken. Die Gesellschaft ist meine einzige Hoffnung, von dieser gottverlassenen Insel herunterzukommen. Durch meine Schlagfertigkeit, meinen Geist und meine Schreibfähigkeit habe ich mich bis jetzt am Leben halten können, aber meine Reserven schmelzen von Tag zu Tag mehr dahin.« Isaak ließ den Blick über den trostlosen Platz schweifen, auf dem sie saßen. Pferde- und Maultiergespanne wirbelten Staub auf und ließen dampfende Exkrementhaufen hinter sich zurück. »Vielleicht kann die Gesellschaft ja andere Quellen finden. Ich bin nicht ohne Freunde. Vielleicht könnte ein privater Wohltäter überredet werden zu helfen.« Isaak wartete auf eine Antwort Hectors.
    Mitleid erfüllte dessen Gesicht. »Ich

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