Die Hebamme von Venedig
habe mich erkundigt, aber es heißt, das ist nicht möglich.« Er spielte mit seinem Weidenzweig und zog Linien in den Dreck. Hector wusste mehr, als er verriet, dachte Isaak.
» Dio mio , Dinge von ihm in Erfahrung zu bringen, gleicht der Arbeit meiner Frau, die widerspenstige Babys aus den Leibern ihrer Mütter holt.« Er wünschte, Hector würde mit seiner Kritzelei aufhören. Das Geräusch tat ihm in den Ohren weh. »Mit wem in der Gesellschaft hat er Kontakt? Mit Mordechai Modena, der wie ich aschkenasisch ist?« Modena war ein Bauer, der zu nichts taugte, als in großen Wannen Karpfen zu züchten. Isaak wollte aufhören zu reden, damit Hector etwas sagen konnte, aber seine Verzweiflung schien nicht nur seinen Mut gebrochen, sondern ihm auch die Zunge gelöst zu haben. »Macht Mordechai Schwierigkeiten?«
»Es ist nicht Modena.« Hector warf einen Blick zu seinem Pferd hinüber, das die Grasbüschel um sich herum verspeiste, und sah aus, als wäre er am liebsten längst woanders. »Es ist eine grausame Tatsache: Es gibt kein Geld, und das wird sich auf absehbare Zeit auch nicht ändern. Es tut mir leid für ihn.« Hector erhob sich und klopfte den Staub von seinem Hut ab, bevor er ihn aufsetzte. »Ich werde ihm von Zeit zu Zeit etwas Essen bringen und ihn besuchen. Mehr kann ich nicht tun.« Er zog sich Hemd und Hose zurecht. »Ich muss weg. Kann er mir beim Aufsitzen helfen?«
Sie gingen zu Hectors Mähre. Fliegen saßen ihr um die Augen. Isaak beugte sich vor, legte die Hände zusammen und hielt sie Hector hin, der einen Fuß hineinsetzte. Mit einem Schubs half Isaak Hector auf den Pferderücken. Hector rückte sich in seinem Sattel zurecht und griff nach den Zügeln.
»Auf Wiedersehen, Signore.«
»Danke für den Besuch«, murmelte Isaak.
Als Mann und Pferd außer Sicht waren, ließ Isaak seinem Zorn freien Lauf und verfluchte den Gott, der ihn verlassen hatte. Seine letzte Hoffnung war dahin. So konnte er sich auch gleich ins Meer stürzen. Besser ein schneller Tod, als langsam zu verhungern. Wenn es ihm nicht gelang, Gertrudis’ Herz für Joseph zu öffnen, würde er auf der nächsten Galeere den Hafen verlassen, und selbst wenn es ihm gelingen sollte, die Frau mit diesem Tölpel zu vereinen, was war dann schon gewonnen? Dann würde er seine Freiheit bekommen, aber dennoch die Insel nicht verlassen können. Wie sollte er die Ritter und seine Überfahrt bezahlen?
Er streunte über den Platz, hob wahllos Steine auf und feuerte sie gegen einen Baum. Als einer zurückkam und ihn am Bein traf, beschloss Isaak, seinen Gebetsriemen anzulegen. Das Gesicht Richtung Jerusalem gewandt, wippte er vor und zurück und verlor sich im Gebet. Seine Religion war alles, was ihm geblieben war. Was sollte er da auf Gott schimpfen?
Kapitel 13
E s gab keinen Grund, dass Hannahs Herz so pochte. Jacopo und Niccolò konnten dem Kind nichts antun. Jeder einzelne Raum in diesem Palazzo war größer als die größte Wohnung im Ghetto und voll mit Dienerschaft. Matteo war sicher. Die einzige Gefahr, die diesem verwöhnten adligen Jungen drohte, war die der Überversorgung.
Aber wo in diesem riesigen Palazzo steckte er gerade? Hannah trat ans Fenster, um zu sehen, ob die Gondel des Conte und der Contessa noch in Sicht war, aber sie war längst verschwunden. Hannah wollte unten nach Matteo suchen. Vielleicht hatte Giovanna ihn geholt. Oder eine Köchin oder ein Hausmädchen stillten Matteo, um Giovanna eine Erholungspause zu verschaffen. Hannah würde das Kind finden, sich versichern, dass alles in Ordnung war, und möglichst schnell verschwinden, um nicht einem der beiden Brüder über den Weg zu laufen.
Da kam ihr ein furchtbarer Gedanke. War Lucia so aus der Fassung geraten, dass sie dem Kind etwas angetan hatte? Wieder musste Hannah an die Frau des Silberschmieds denken, die ihr Baby erstickt hatte. Aber dann schüttelte sie den Kopf, Lucia war krank und schwach, nicht verrückt.
Hannah blieb oben an der Treppe stehen, als sie Schritte und das leise Murmeln männlicher Stimmen hörte. Zwei Gestalten erschienen am Ende des Korridors. Sie überlegte, ob sie die Treppe hinunterrennen sollte, begriff aber, dass die beiden sie sehen würden, bevor sie unten ankam.
Da, kurz vor der Treppe gab es eine Nische mit einem zweigeteilten, schweren Damastvorhang. Hannah schlüpfte in die halbrunde Einbuchtung, zog den Vorhang hinter sich zu und wartete darauf, dass die Männer vorbeikamen. In der Nische stand eine Statue der Jungfrau
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