Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
Vom Netzwerk:
verschlossenen Menschen vor sich hatte.
    »Was ist nur los mit mir?«, sagte sie. »Mir will scheinen, dass ich von einem Fettnapf in den nächsten steige … Vielleicht liegt es daran, dass ich Sie zu viel fragen möchte …«
    »Es wird mir eine Freude sein, jede Ihrer Fragen zu beantworten, wenngleich …«
    Caroline lächelte und bewegte ihren Fächer.
    »Tatsächlich ist es so … seit eine Ihrer Schülerinnen versehentlich unsere Apotheke aufsuchte, da hörte ich Ihren Namen zum ersten Mal, Professor Kilian …«
    »Eine Schülerin? Sie hat Äußerungen über meine Person und über das Institut getan?«
    Nun musste sie ihn beruhigen.
    »Sie war dezent. Ein nettes Mädchen, sehr schüchtern. Wie gesagt, sie hatte sich irrtümlich … wobei … Nun, ich bat sie, Ihnen auszurichten, dass Sie Ihre Bestellungen nun zukünftig ebenso an uns richten können. Aber sie hat es vielleicht gar nicht gehört, weil die Gottschalkin sich einmischte … Es ist auch schon Wochen her.«
    »Die Gottschalkin.«
    »Die Hebamme Gottschalk, ja. Sie kennen sie?«
    »Nur flüchtig«, erwiderte Kilian. »Doch natürlich weiß ich um den vorzüglichen Ruf, den sie genießt. So wunderte es mich schon, sie anlässlich dieser Hochzeitsfeier hier nicht anzutreffen. Wo ihr all die Damen der Marburger Gesellschaft doch so viel Hochachtung entgegenbringen und die Braut – wie Sie mir anvertrauten – schon die Namen ihrer Töchterchen träumt …«
    »Hochachtung.« Caroline gab einen schnalzenden Laut von sich und ließ die Fresken von Pompeji mit einem Ruck verschwinden.
    »Von Ulrike Herbst weiß ich, dass sie eine Einladung hatte, die Gottschalkin. Doch sie ließ sich entschuldigen, mit … ach, was weiß ich. Sie bildet sich ein bisschen viel ein auf ihre Kunst und ihr Ansehen, wenn Sie mich fragen.« Der wache Ausdruck im runden Gesicht des Professors ermunterte Caroline, sich noch ein wenig weiter vorzuwagen. »Die Gottschalkin und ihr Gelehrtenwissen! Mein Mann – Gott hab ihn selig, den guten Menschen – war ihr ja nahezu ergeben. Aber nicht, dass Sie nun etwas Falsches denken, Herr Professor – Bertram Fessler lebte ja zuletzt nur noch für die Pharmacie, und er schätzte es wohl, sich mit ihr auszutauschen. Ich habe nie verstanden, was sie einander in solcher Ausführlichkeit mitzuteilen hatten. Mein Gatte jedenfalls war kaum mehr von seinen Büchern fortzubringen.« Sie seufzte und senkte noch einmal den Blick. »Man konnte vereinsamen an seiner Seite, ja zu Staub zerfallen. Ich hätte mich als getrocknete Blüte zwischen die Seiten seines Herbariums begeben müssen, um wahrgenommen zu werden …«
    »Aber das ist ganz und gar unvorstellbar, verehrte Madame Fessler«, sagte Kilian erstaunlich sanft. »Das kann ich unmöglich glauben.« Er legte die Hand an die Stelle, wo sein Herz sitzen musste.
    » Touché, Herr Professor. Ich übertreibe ein wenig. Und nun, da ich es mir eigentlich schon verscherzt habe mit Ihnen, tue ich noch etwas ganz und gar Unschickliches …« Sie richtete ihren geschlossenen Fächer auf seine Brust wie ein Florett. »Tanzen Sie?«
    Im ersten Moment schien er fassungslos, und sie fürchtete schon, tatsächlich zu weit gegangen zu sein. Doch dann verneigte sich der Professor und reichte ihr seinen Arm.
    »Sie werden mich lächerlich finden«, sagte er, während er sie unerschrocken in den Saal führte.
    »Im Leben nicht«, gurrte Caroline, »da schätzen Sie mich gänzlich falsch ein.«
     
    Unterdessen hatte Lambert sich von den Tanzenden entfernt. Er verließ den Saal, nachdem er eine Weile vergeblich versucht hatte, aus den Fenstern hinaus auf die nächtliche Stadt zu sehen. Eine Flucht hatte er nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, dazu war es zu spät. Fast kam es ihm vor wie ein Hinterhalt, als man ihn auf der Rathaustreppe umringte, unter den wuchtig gerahmten Gemälden, von denen Adlige und verdiente Bürger auf den Ernst der Lage hinunterblickten.
    Sie fingen ihn ab, die Herren, diese anderen Männer, die vermutlich alles richtig machten in ihrem geordneten Leben. Sie witzelten und lachten, als sie ihn abführten, um ihn über den Marktplatz in sein Haus zu bringen.
    »Wo du auch nicht im Dunkeln irrst …«, deklamierten sie launig, diese guten Freunde, »verübe das, was deine Väter übten, ja das, wodurch du Vater wirst!«
    Auch von oben aus dem Tanzsaal kamen Gelächter und erheiterte Rufe. Wahrscheinlich flog dort soeben ein Strumpfband über die Köpfe. Ein Band aus glänzender Seide,

Weitere Kostenlose Bücher