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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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Dorit. Sie nahm Gesa an die Hand, zog sie mit sich, zwischen den Mägden hindurch, die heißes Wasser schleppten, Tröge und Hackbretter schrubbten, vorbei am Brühtrog, wo für heute dem letzten geschlachteten Schwein die Borsten abgeschabt wurden.
    Eilig folgte Gesa der kleinen Person, deren Hand wärmend in ihren Fingern lag. Womöglich versammelte Dorit alle Kraft in sich, die ihren Geschwistern gefehlt hatte – Julas vier nachgeborenen Kindern. Nur wenige Tage nach den Geburten war ein jedes von ihnen am Streckfluss gestorben – und niemand wusste, warum es Gott gefallen hatte, die Kinder des Eichenhofes zu sich zu nehmen. Alle diese Kinder, bis auf Dorit, zeigten die gleichen Zeichen. Sie kamen gesund zur Welt und wurden von Tag zu Tag schwächer, bis sie starben, kümmerlich wie kleine Vögel, die aus dem Nest gefallen waren.
    Die letzte Niederkunft der Bäuerin hatte Gesa allein leiten dürfen, und während das vor sich gegangen war, hatte Bele ein ernstes Wort mit Albin gesprochen, Julas Mann. Sein Hof wäre groß genug, sagte sie, um eine zweite Schlafkammer einzurichten und seiner Frau mit einer weiteren Schwangerschaft Zeit zu lassen. Die vielen enttäuschten Hoffnungen hätten Jula geschwächt und mutlos gemacht. Ihr in jenem Dezember geborener Sohn verweilte so kurz auf der Erde, dass Bele ihn nottaufen musste.
    Albin, so erzählte man sich im Dorf, legte den Rat der Hebamme in einer sehr eigenen Weise für sich aus. Was er schon immer getan hatte, tat er von nun an mit noch weniger schlechtem Gewissen.
    Bei den Frauen, die am Herdfeuer in dampfenden Kesseln mit Wellfleisch rührten oder Wurstfett abschöpften, bat Gesa im Vorübergehen um einen Zuber mit heißem Wasser. Außer dem Mädchen, das an ihr zerrte, schien sich niemand Sorgen um die Bäuerin zu machen. Man war wohl zu beschäftigt.
    An einem langen Tisch saß in der Halle des Haupthauses ein Teil des Gesindes an hölzernen Schüsseln mit Specksuppe, Kohl und Kartoffeln, doch jeder sonst war in Bewegung. Wurstteig wurde in Därme gestopft, Fleischstücke in Bottichen mit Salzlake eingelegt und der Rauchfang angefeuert. Albin war nirgendwo zu sehen.
    Der Geruch nach Blut war allerdings überall.
    Auch oben in der Kammer hatte er sich unter den Balken gefangen. Gesa konnte im Zwielicht Julas kräftige Gestalt kaum ausmachen, als Dorit den Bettvorhang auf die Seite schob. Die Bäuerin hockte reglos auf Federdecken. Als Gesa sie ansprach, hob sie den Kopf.
    »Gesa«, sagte sie und setzte damit eine der dunklen Haarsträhnen in Bewegung, die ihr ins Gesicht hingen. »Soll ich es nun für ein gutes Zeichen halten, dass du wieder da bist? Oder für ein schlechtes, dass heute Schlachttag ist?« Sie stieß die Luft aus ihren Lungen, und die Haarsträhne flatterte. »Schlachttag«, wiederholte sie tonlos. »Warum nicht? Was macht das für einen Unterschied?« Dann richteten sich ihre Augen auf Gesa, und die Mundwinkel zuckten, ohne dass ihr ein Lächeln gelang.
    »Aber wenigstens bist du zurück.«
    Dorit griff nach der schlaffen Hand ihrer Mutter und sah zu Gesa hinüber, die noch immer am Ende des Bettes verharrte.
    »Machst du jetzt was?«, fragte das Mädchen.
    Gesa kam näher, berührte Julas gespannten Leib, zaghaft zunächst, bis sie ihn mit beiden Händen abtastete.
    »Seit wann hast du Wehen?«, fragte sie.
    »Keine mehr«, sagte Jula. »Aufgehört. Ich glaube, beim zweiten Schwein, das sie unten abgestochen haben. Weiß nicht. Es ist auch egal.«
    »Das ist es nicht«, erwiderte Gesa sanft und bat Jula, die Beine auszustrecken. Sie neigte den Kopf, legte das Ohr an den Bauch und lauschte. »Ganz und gar nicht«, flüsterte sie.
    Dorit beobachtete sie und wirkte streng in ihrem hochgeschlossenen Kleid, mit straff aus dem Gesicht gezurrtem Haar, ebenso dunkel wie das ihrer Mutter.
    Jula drehte sich weg, als Gesa sich aufrichtete, entzog sich der Hand ihrer Tochter, umschlang ihre Schultern, wiegte sich in kleinen Bewegungen vor und zurück. »Du kannst mir helfen, Dorit«, sagte Gesa. »Willst du das tun?«
    »Ich will aber nicht weggehen, wenn du das meinst.«
    »In Wahrheit ist es so, dass ich eine gute Helferin brauche. Ich weiß gar nicht, wie ich ohne eine auskommen soll, um ehrlich zu sein.«
    »Und was müsste die tun?«
    Zu Julas Füßen öffnete Gesa das Tuch mit den getrockneten Kräutern, während Dorit sich neugierig näherte.
    »Du kannst es jetzt nicht so gut sehen, aber riechen vielleicht«, sie reichte ihr zwei Büschel,

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